Veranstalten wird immer mehr zum Abenteuer. Der Vorverkauf zum Beispiel erweist sich inzwischen als Auslaufmodell. Zuschauer:innen entschließen sich immer kurzfristiger zum Kulturgenuss, mal abgesehen vom Partysegment. Die Kalkulierbarkeit von Tourneen nimmt ab, der Geldwert auch, es hagelt bereits Absagen zugunsten der Streaming-Couch. Reisen wird schwieriger, von Flugscham bis zur Verspätungslotterie des Zugverkehrs. Und die Unterbringung? „Wir hätten auch zwei Sets gespielt“, meinte Iiro Rantala in der Münchner Unterfahrt. „Aber es gibt in München keine Hotelzimmer!“ Also ein durchgehendes Instant-Konzert, danach freundliches, aber zügiges Signieren und ab zum nächtlichen Bahnhof, Richtung Regensburg, der nächsten Station der Kurztournee, wo immerhin ein paar späte Gastzimmer auf den finnischen Piano-Charmeur und sein junges Quartett warteten.
Die Energie auf der Bühne allerdings konnte die fremdbestimmte Eile nicht einbremsen. Rantala war in Form, hatte das Trio der Sängerin und Keyboarderin Maja Mannila als Basis seines aktuellen Quartetts FLOCK und außerdem ein buntes Programm aus neuen Stücken und bewährten Kompositionen mitgebracht. Stilistischer Ausgangspunkt war der unterhaltsame Fusionsound von damals, inzwischen dem Trio Töykeätt wieder näher als frühere Projekte. Zwar spielte Rantala auch den „November“ seines Songs-Solo-Zyklus zum finnischen Wetter oder die Widmungsstücke an seine beiden Söhne. Vieles andere war jedoch frisch, ein bisschen Retro-Bebop, etwas Entertainment-Ragtime und viel fröhlich ausufernde, elegant phrasierende Pianistik in Verehrung von Kraftmeistern des Akkordspiels wie Richard Tee.
Die nächste Generation wiederum folgte Rantala mit Chuzpe, ebenfalls auf ansteckend bühnenempathische Weise gut gelaunt und im Fall des Bassisten Johannes Granroth auch beachtlich virtuos. Manches wirkte da zwar noch etwas unbehauen, aber bitte! Das ist ein Privileg der Jugend, die sich in ihre eigene Klangzukunft erst vorarbeiten muss. Iiro Rantala jedenfalls gab als Mentor den lakonisch moderierenden Conferencier und hinreißend schwadronierenden Klaviersouverän im Elton-John-Jacket, der wahrscheinlich auch doppelt so lange gespielt hätte, wenn Hotellerie und Deutsche Bahn flexibler gewesen wären.
Ralf Dombrowski