Die kroatische Sängerin Vesna Pisarović fasziniert bei ihrem Trioauftritt im Leeren Beutel, Regensburg, mit freiem Jazz und Scatgesang. Musik zu machen und übliche Einteilungen in Stile und Genres dabei links liegen zu lassen, ist heute beinahe eine Selbstverständlichkeit.
Skifflemusiker spielen mit Jazz-, Blues- oder anderen musikalischen Formen. Popmusiker greifen auf ethnische Formen zurück, Hip-Hopper nutzen völlig selbstverständlich Jazz, Grunge oder Punk. Dass aber eine erfolgreiche Popsängerin das Genre wechselt und beginnt modernen Jazz zu singen, ist auch heute noch eher selten. Noch dazu, wenn sich diese Sängerin, wie die in Berlin lebende kroatische Musikerin Vesna Pisarović gänzlich außerhalb des Mainstreams und des populären Swing bewegt.
Was vor über einem halben Jahrhundert die englische Popsängerin Juli Driscoll und eingeschränkt später auch Nina Hagen vorgemacht haben, setzt die aus Bosnien-Herzegowina stammende Pisarović seit 2006 fort. Nach großen Hits, mehreren vergoldeten Alben und einer erfolgreichen Teilnahme am Eurovision Song Contest, nahm sie das experimentelle, von Elvis Presley inspirierte Album „With Suspicious Minds“ mit Gerhard Gschlößl, Clayton Thomas und Steve Heather auf. Es war ein tiefgreifender Wandel, den Pisarović vollzog und den sie seither ständig für sich weiterentwickelt hat.
Zum Konzert beim Jazzclub Regensburg ist sie mit ihrem seit einigen Jahren bestehenden Trio Petit Standard gekommen und hat den (wenigen) Zuhörenden die Köpfe verdreht. Mit dem 77-jährigen Schlagzeuger John Betsch und dem fast ein Jahrzehnt jüngeren Bassisten Joe Fonda bildet sie einen musikalischen Feuerring aus kantigen Arrangements, freier Improvisation und solistischer Exkursionen. Das ungewöhnlich besetzte Trio, das ohne Melodieinstrument auskommt, bedient sich dabei Kompositionen des modernen freien Jazz seit den 1960er Jahren.
Musikalisch unberechenbar wie komisch
Spürbar ist Pisarović‘ Vorliebe für Stücke von Steve Lacy, Mal Waldron und Thelonious Monk. Letzterer bildete 1948 mit der Komposition „Misterioso“ die Vorlage für einen dichten und spannungsreichen Kammerjazz dreier gleichberechtigter Protagonisten. Im völlig transparenten und reduzierten, dabei gänzlich unberechenbaren Spiel Betsch‘ schien immer wieder Monks schräger Humor aufzublitzen. Pisarović griff diese Verschmitztheit mit ihrer ausdrucksstarken Stimme gegen Ende des sperrigen Songs auf und drehte dem Publikum wie auch ihren Mitspielern mit auf- und abhüpfender Gesangslinie scheinbar ein Nase.
Betsch, der einen Tag vor dem Jazzclub-Gig Geburtstag feierte, faszinierte und verwirrte gleichermaßen mit seinem minimalistischen Stil: Hart geschlagene Akzente, lange Breaks, zarte Tupfern und verspielte Swingeskapaden. Immer wieder vermittelt er den Eindruck, sein vom Puls getragenes Spiel würde ganz unvermittelt einsetzen und willkürlich akzentuieren. Irgendwann aber verbindet es sich wie von Geisterhand geleitet mit der Stimme Pisarović‘ und Fondas quicklebendigen Bassspiel zu einem stimmigen Ganzen, einem offenen System von Rede und Gegenrede, von Kontroverse und zärtlicher Bestätigung.
Gesanglich differenziert
Während Fonda mit seinem sprühenden, rhythmisch fundierten Spiel das irrlichternde Zentrum des Trios bildet, stupst die Sängerin mit Texten über Einsamkeit, vergeblicher Liebe oder Sehnsucht die emotionalen Türen auf. Die inhaltliche Seite füllt sie mit großartigem Scatgesang, Vokalisen und stimmlichen Drahtseilakten zu packenden Eindrücken auf.