Erst nach mehreren Zugaben durfte das gefeierte Duo mit Jean-Louis Matinier und Kevin Seddiki von der Bühne im Leeren Beutel in Regensburg.
Von Michael Scheiner
Irgendwann beginnt es im Kopf zu klingeln und Erinnerungen an ein weit entferntes Konzert, „Friday Night in San Francisco“, tauchen bei einigen Akkorden von Kevin Seddiki auf. Seddiki, 1981 in Clermont-Ferrand zur Welt gekommen, ist viel zu jung, um das ein Jahr vor seiner Geburt live mitgeschnittene Konzert der drei Gitarrengrößen Paco de Lucia, John McLaughlin und Al Di Meola erlebt zu haben. Sicher hat er es später einmal als Video gesehen.
Entscheidender für sein eigenes Spiel auf der nylonbespannten akustischen Gitarre aber ist die Mitgliedschaft in Di Meolas Band World Sinfonia. Vier Jahre spielte der französische Gitarrist mit algerischen und italienischen Wurzeln in der Band des als „schnellster Gitarrist der Welt“ gefeierten Fusionmusikers. Dabei fand auch der eine oder andere Lick des älteren Bandleaders seinen Weg in Seddikis Spiel. Von einem Imitat kann bei dem klassisch geschulten Musiker indessen keine Rede sein. Auf jeder Station seiner ungemein weit gefächerten künstlerischen Karriere hat er Ideen aufgesogen und in sein vielgestaltiges Spiel eingebaut.
Seit einigen Jahren bringt dieses Potential im Duo mit dem französischen Jazzakkordeonisten Jean-Louis Matinier eine musikalische Blütenpracht hervor, die ihresgleichen sucht. Zwischen Klassik und Jazz, spanischer Musik und ethnischen Klängen, zwischen „Greensleeves“ und Gabriel Faurés „Les berceaux“ entfalten die zwei Meister ein feinsinniges kammermusikalisches Feuerwerk. Dessen Schönklang in gänzlich ungewohnten Akkorden und schwebenden oder knisternden Klängen auf dem Akkordeon bringt die Musik von innen heraus zum Leuchten.
Lange hat sich der Jazzclub Regensburg darum bemüht das Duo nach Regensburg zu holen. Verwandtschaftliche Beziehungen Seddikis in die Welterbestadt, ein Onkel von ihm betreibt ein exquisites Restaurant in der westlichen Altstadt, haben schließlich zum Gelingen beigetragen. Matinier, der in seiner Moderation auf diese persönliche Verbindung hinwies, bestätigte mit genüßlichem Zungenschnalzen die Qualität des Essens beim Onkel. Die musikalische Qualität des Duos stand diesem um keine noch so feine oder exotische Zutat nach.
Kennen gelernt haben sich die beiden vor über einem Jahrzehnt in der französischen Abtei Royaumont, einem Zentrum für interkulturellen Austausch. Später spielte Matinier, der selbst einen reichen Erfahrungsschatz als Begleiter von Juliette Greco bis Gianluigi Trovesi und Anouar Brahem mitbringt, in Seddikis Band mit Schlagzeuger Bijan Chemirani und Maria Simoglou. Daraus erwuchs der Wunsch den musikalischen Dialog zu vertiefen „die Klänge und Farben sowie die orchestralen Möglichkeiten“ der Instrumente weiter zu erkunden, wie Seddiki in einem Interview das Ziel ihrer Zusammenarbeit beschreibt.
Es ist eine Musik, die den Schmerz und die Trauer in getragenen Stimmungen erkundet, die losgelöst von Erdenschwere zu schweben beginnt und die die Zuhörenden im Leeren Beutel in eine Welt voller Achtung, Zärtlichkeit und leiser Heiterkeit versetzt. Die kühnen Melodien und klanglichen Seiltänze, die Seddikis vollendetes Spiel auf der Gitarre vollführt, öffnen Fenster und Türen in ungeahnte Klangwelten. Dabei wechseln sich die Instrumentalisten in der melodischen Führung und Begleitung andauernd, manchmal mehrmals in einem Stück ab. Es ist ein musikalisch-klangliches und emotionales Ineinandergreifen, eine respektvolle und gleichwohl selbstbewußte Begegnung zweier verschiedener Persönlichkeiten, die dennoch von einer gemeinsamen Wellenlänge angetrieben werden. Vor zwei Jahren haben Matinier und Seddiki diese Ideen in die Aufnahme eines Albums („Rivages“, ECM) fließen lassen, aus dem sie im Leeren Beutel einige gemeinsame Stücke und eigenwillig-schöne Interpretationen vorstellten.
Alle Fotos: Michael Scheiner