Zwei furiose Geister im Gleichklang

Regensburg. „Furios, es war einfach furios!“ Es ist eine Mischung aus Staunen, Begeisterung und Ehrfurcht, die sich im Gesicht der Jazzclub-Besucherin widerspiegelt. „Ich konnte nur noch ihre Hände anschauen“, stimmt die Begleiterin in das Lob über das Konzert der Berliner Pianistin Aki Takase mit dem Saxofonisten Daniel Erdmann ein. Nach einer längeren Konzertpause, zog das ungewöhnliche Duo musikbegeisterte Zuhörer geradezu magisch an. Die wenigen Plätze für eine unsinnige 25-prozentige Auslastung des Konzertraums im Leeren Beutel waren schnell ausverkauft.

Ungewöhnlich ist nicht nur die Besetzung der beiden Musiker, sie gehören auch zwei verschiedenen Generationen an. Die in Japan geborene virtuose Pianistin, die ihre ersten Auftritte im Jazzclub des Bestsellerautors Haruki Murakamis hatte, ist mit dem Modern Jazz groß geworden. In den 1980er Jahren kam sie nach Europa und tauchte mit ihrem Mann, dem Pianisten und Gründer des Globe Unity Orchestra Alexander von Schlippenbach, verstärkt in die Improvisation und freiere Spielweisen ein. Dabei entwickelte sie über Projekte, in denen sie sich intensiv mit der Jazzgeschichte von Duke Ellington bis Ornette Coleman auseinandersetzte, einen energiegeladenen eigenen Stil mit insistierendem Akkordspiel und hartem Anschlag.

Beide haben im vergangenen Herbst den erstmals von Kulturstaatsministerin Monika Grütters vergebenen Deutschen Jazzpreis erhalten. Takase für ihre künstlerische Leistungen am Piano und Erdmann als Saxofonist. Der gebürtige Wolfsburger wuchs zeitweise in den USA auf. Während seines Musikstudiums in Berlin begegnete er erstmals seiner späteren Duopartnerin. Musikalisch ist er im aktuellen, europäisch geprägten Jazzgeschehen verankert mit feinen Wurzeln in der Jazztradition. Die blitzten auch immer wieder im Spiel der beiden auf, die sich nach knapp zwei Jahrzehnten 2020 wieder begegnet sind und spontan beschlossen ihre musikalische Beziehung aufzufrischen. Nach vielen Online-Proben während der Lockdowns, nahmen sie in Budapest ihr Duo-Album auf, welches sie nach Richard Rodgers Standard „Isn`t it Romantic?“ benannten.

Dieser schnulzige Klassiker bildete die erste Zugabe des Konzertes im Leeren Beutel, ironisch gebrochen, mit viel Witz, Anklängen an den Kintopp und einer herrlich verspielten leidenschaftlichen Lust. Die Antwort des hingerissenen Publikums viel – erwartbar – keinen Deut weniger leidenschaftlich aus. Heftiger Beifall und Bravo-Rufe, bis die beiden Musiker mit leicht verstohlener Freude zu einer weiteren Zugabe ansetzten – ein balladeskes Stück voll zarter Eleganz. Ein Abgang nach Maß.

Zuvor präsentierten sie in komplexen Stücken wie „An jeder Kreuzung liegt eine Erinnerung begraben“, „Voodoo Girl“, dem dunklen „Magic“ oder „Bonjour Tristesse“ vom neuen Album ihr traumhaftes Zusammenspiel. Geprägt von einer unbändigen Energie, Witz und einem schier unerschöpflichen Fundus an Ideen rasten sie über holprige Wege, stürzten sich in Cluster, jagten in jubelnde Höhen und lauschten in sanfte Ecken voller gehauchter Zartheit. Ein Hochgenuss für jede corona-geschundene Seele.

Beitragsbild: Aki Takase. Foto: Michael Scheiner

Beide erhielten 2021 den Deutschen Jazzpreis. Daniel Erdmann wurde 2020 mit dem SWR Jazzpreis ausgezeichnet (den Aki Takase bereits 2002 erhalten hat). Im November 2021 wurde Aki Takase im Rahmen des Berliner Jazzfests der renommierte Albert Mangelsdorff-Preis verliehen.

 

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