Einhellig begrüßten Vorstandsmitglied beim Jazzclub Alfred Merkel, die Musiker um Tobias Meinhart und das Publikum mit lautem Beifall das erste Konzert ohne die Pflicht zum Tragen einer Maske. „Endlich schaue ich wieder in Gesichter“, freute sich Merkel bei der Begrüßung und Meinhart gestand, dass „wir glücklich sind nach langer Zeit vor so vielen Leuten spielen und euch sehen zu können!“
Im voll besetzten Leeren Beutel genossen die 3G-Besucher aber nicht nur ihre neu gewonnene Gesichtsfreiheit. Vom ruhigen Beginn an wurde der gebürtige Regensburger, der mit seiner Band das neue Album „The Painter“ – der Maler – vorstellte, nachdrücklich gefeiert. Quer durch alle Altersgruppen waren die Menschen spürbar dankbar, die Begegnung mit anderen während eines lang erwarteten Konzertes in vollen Zügen genießen zu können.
Das musikalische Futter lieferten die vier Musiker mit einer Energie, Spielfreude und einem Feuerwerk an Ideen, die die Aufmerksamkeit bis zur letzten Sekunde fesselten. Das gilt sicher auch für die zwei älteren Frauen, die der Veranstaltung schon zur Pause den Rücken kehrten. Im Brustton der Überzeugung meinte eine zu ihrer Begleiterin: „Geh, so schlecht san`s doch garnet!“ Bereits beim ersten Stück „Lunapark“, einer hardbop-orientierten Komposition die Meinhart eigens für die Tour geschrieben hat, fanden die vier zu einem makellosem Zusammenspiel. In langen Soli entfalteten nacheinander Meinhart, Bassist Matt Penman und Eden Ladin am Piano ihre Ideen, die am Schluß in einem Feuerwerk am Schlagzeug mündeten.
Instrumentale Höchstleistungen
Obed Calvaire, Schlagzeuger mit haitianischen Wurzeln, knallte dem begierig lauschenden Publikum in einem Fourth-Spiel mit den restlichen Musikern seine raffinierten Rhythmen derart um die Ohren, dass manchem der Atem stockte. Tatsächlich zeigte sich der jede Nuance vom zart getupften Klängen bis hart vorantreibende Drummer als der heimliche Star des Abends. Geradezu spielerisch tänzelte er mit seinen Stöcken über Felle und Becken, umspielte Rhythmen mit federleichtem Feingefühl. In „White Bear“, das Meinhart seinem Lieblingsrestaurant in Brooklyn gewidmet hat, glänzte er mit einem Solo der Extraklasse. Mit dichtem Bassdrumspiel und unwirklich schnell wirbelnden Sticks klang er fast wie ein ganzes Perkussion-Orchester. Es war ein Gewitter auf Fellen, Becken und Trommeln, repetitiv begleitet von Piano und Bass.
Nach der wundervollen Ballade „Oak Tree“ und dem groovigen „Dark Horse“, bei dem Meinhart eine beinahe sakrale Stimmung entfaltete, konnte sich das Publikum bei dem lässig interpretierten Standard „Nobody else, but me“ ein wenig zurücklehnen und entspannen. In „Dreamers“ lief der Bandleader auf dem nur zweimal eingesetzten Sopransaxofon zur Höchstform auf, im titelgebenden „The Painter“ formte er mit Multiphonics mißtönende Klanggespinste zu einem ausdrucksstarken Statement. In einem langen Spannungsbogen steigerte er sich in einen expressiven Rausch von hymnischer Intensität, dem Penman mit seinem warmen, weichen Ton und der zupackende Ladin n nichts nachstanden. Ein großartiges Quartett, das hervorragend die Balance von packender Spannung und legerer Entspannung hält.
Text und Fotos: Michael Scheiner