Bezau Beatz geht in die 14. Runde − eine Special-Edition
Geregnet hat es, immer mal wieder. Ein Musiker hat sich im Vorfeld des Festivals den Arm gebrochen, aber es konnte eine famose Alternative gefunden werden. Das ist normal, Alltag eines Veranstalters. Noch immer anders aber sind die organisatorischen Herausforderungen, die sich durch die Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge stellen. Alfred Vogel und das Team der Bezau Beatz haben sich auf die drei „G’s“ verlassen, getestet, geimpft, genesen. Wer seinen Grünen Pass hatte, durfte passieren und konnte sich die Maske sparen. Die Räume des Festivals Bregenzerwalds gaben es auch her. Die Remise mit der Hauptbühne ist als Werkstatt des Wälderbähnles ein großer, gut durchlüfteter Raum. Peter Figers Kunstschmiede am Ort hat ebenfalls nicht nur Ambiente, sondern die nötige Abstandshöhe, dass die Bergluft zirkulieren kann. Und was draußen passierte, war eh frischluftumweht.
Der andere Risikofaktor waren die Reisekonditionen für die Musiker. Vogel lud Künstler aus Österreich und umliegenden Ländern ein, Frankreich, Deutschland oder Belgien. Und bis auf den verletzten Gitarristen Guillaume Aknine konnten tatsächlich alle kommen, die auf dem Programm standen. So wurden die 14. Bezau Beatz ein Festival rund um das Thema Freiheit und was man daraus machen kann. Die beiden Extreme an den Enden der Parabel bildeten einerseits das Duo des Pianisten Felix Hauptmann mit dem Schlagzeuger Leif Berger und das Trio Edi Nulz auf der anderen Seite, zwischen deren Ideenwelten sich letztlich die anderen Beteiligten positionierten. Hauptmann & Berger standen für den Ernst der Sache, zwei Improvisatoren mit der Neigung zur Humorfreiheit der Abstraktion, auf der Suche nach der Gültigkeit des Komplexen im kommunikativen Dialog, ein wenig so, als würden sie den Chandos-Brief für den Jazz formulieren. Edi Nulz hingegen hatten Spaß am Musikantischen und klitterten mit Tendenz zur anarchischen Geste die Stilideen von Fusion und Free bis Indie und Schmäh, ohne angesichts des Humoresken allerdings die Struktur zu vergessen.
Rund um solche Amplituden gruppierten sich die meisten anderen Bands und Projekte. Die estnischen Sängerin Maarja Nuut etwa präsentierte ein Set mit kammerelektronischen Texturen und Folk-Einsprengseln, die Berliner Insomnia Brass Band entwickelte ein Mikroformat tendenziell stilloffenen Bläsersounds. Die SOKO Steidle um den Schlagzeuger Oliver Steidle blieb der flirrenden Tonfülle früherer Avantgarde treu und pflegte die gemeinsame impulsive Redundanz, das französische Quartet No Tongues setzte die Idee der perkussiven Feldforschung in melodische Songstrukturen um und deren Landsleute von Electric Vocuhila adaptierten weltmusikalische Beats für ein tendenziell tanzbares Spätabendkonzert. Famos schließlich, weil mit hohem gestalterischem Risiko, war das für „Django“ eingesprungene Trio „In Love With“ des Schlagzeugers Sylvain Darrifourcq mit den Streicher-Brüdern Valentin und Théo Ceccaldi. Ein wenig, meinte der Bandleader in einer Ansage, gehe es dabei auch um Sex, oder zumindest um das Prinzip des Orgasmus, woraufhin die Musiker über eine Dreiviertelstunde hinweg ihr Energie- und Konzentrationsniveau kontinuierlich steigerten, bis hin zu einer Klangentladung, die selbst beim Hören etwas Kathartisches hatte. Schweißdampfende Musik auf frei jazzender Basis, ohne sich im Geäst der Gedanken zu verirren – darum geht es. Humorvoll, kraftvoll, in Liebe. Eine Botschaft, die Sinn macht.
Ralf Dombrowski