Es klingt vielleicht etwas despektierlich oder proletenhaft – aber bei gemeinsamen Unisonoläufen von Roger Hanschel und Prashant Mishra taucht manchmal das Bild als, als würden zwei gleichstarke Jungs um die Wette flitzen. Dabei geht es bei den Jungs, um bei dem Bild zu bleiben, gar nicht um ein Kräfte messen, wobei die beiden vom Dritten in der Runde, dem Tablaspieler Prashant Mishra, beherzt angefeuert werden würden. Vielmehr ist ihr mittlerweile mehr als sechsjähriges Zusammenspiel im Trio Benares ein Aufeinander einlassen, ein tiefes Eintauchen und sich Öffnen gegenüber der Kultur und Musik des jeweils anderen.
Das Liebäugeln zwischen Jazz und indischer Musik hat bereits eine längere Tradition, die von John Coltranes Spiritualität über Gabor Szabos „Jazz Raga“ und Irene Schweizer bis zum Trio Shakti mit John McLaughlin und natürlich Charlie Mariano reicht, der Galionsfigur für Weltmusik mit östlicher Prägung. Während in der Popmusik oft eine Aneignung ferner/fremder Einflüsse stattfindet, die heute als postkolonialer Kulturklau zu teils heftigen Auseinandersetzungen führt, standen sich indische Musik und Jazz meist neugierig und offen gegenüber. Verbindendes Element ist dabei die Improvisation, die in beiden Genres tief verwurzelt und unerlässlicher Baustein ist. Darüber konnten und können sich die Musiker verständigen und ausdrücken.
Auch bei Hanschel und den miteinander verwandten indischen Musikern, der 26-jährige virtuose Tablaspieler ist der Neffe von Deobrat Mishra, eines mehrfach preisgekrönten Meister seines Fachs, ist das der Fall. In ihrem zweiten Album, die erste Cd „Assi Ghat“ wurde ausgezeichnet, treffen nordindische Musik und die im zeitgenössischen Jazz begründete Offenheit Hanschels aufeinander. Kunstvoll und rhythmisch rasant verweben sich ihre Stimmen in „Rajas“ (Hanschel), dem ruhig fließenden „Atman“ (D. Mishra), im tänzerischen „Rose Garden“ (D. Mishra) und den weiteren Kompositionen, darunter das Traditional „Chaity“, zu einer dichten Melange, die wie eine Einheit wirkt. Es ist eine Verbindung, die bis ins Innerste geht, in der lange individuelle Soli ebenso ihren Raum finden, wie ein virtuoses Zusammenspiel, das sich immer wieder gegenseitig befeuert, mitreißt und dabei immer ohne zu schielen beides im Auge hat – das indische Klangideal und die westlichen Jazzidiom. Musik, die sich zur Versenkung eignet, voller Zärtlichkeit und Poesie, die aber auch den euphorisierenden Energiestoß einer unbändigen Entladung nicht scheut. Wer freilich mit indischer Musik, den endlos langen Ragas nichts anzufangen weiß, sollte einen Bogen um die drei Virtuosen machen.
Michael Scheiner
Trio Benares, Rajas, Jazzsick/Membran 5125 JS
Besetzung: Deobrat Mishra (sitar), Prashant Mishra (tabla), Roger Hanschel (altsax, Komposition)