Zeugnisse nächtlicher Lebenslust verewigte der schweizerische Künstler Daniel Spoerri ab den frühen sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts in seinen berühmten Fallenbildern. Kippen, geleerte Flaschen und abgegessene Teller nebst verschmutztem Besteck und Aschenbechern wurden flu(gs)x auf der Tischplatte fixiert, um 90 Grad gedreht und an die Wand genagelt.
Ob Almut Schlichtung, Anke Lucks und Christian Marien alias Insomnia Brass Band mit der Abbildung auf dem Cover ihrer Debut-CD darauf Bezug nehmen, liess sich nicht eruieren. Der Teller mit dem Bandsalat einer Musikkassette, Gabel und Messer, über den ein Quietschefisch aus Plaste zu fliegen scheint, wirkt wie ein ironisches Zitat auf die Kunst des heute 90-Jährigen. Immerhin steckt hinter dem Foto von Alexander Beierbach, welches als Rätselaufgabe noch die Bassdrum eines Weckers und ein Stück Rohr vermutlich eines Baritonsaxofons enthält, auch Kunst – Musik von Schlichtung und Lucks.
Die beiden Instrumentalistinnen haben die Band mit Marien während eines Arbeitsstipendium des Berliner Senats gegründet und ihren Sound rund um das gemeinsam komponierte Spielmaterial entwickelt. Dieser ist – wie bereits in der eigenwilligen Besetzung angelegt – recht eigen und lässt in dem voluminösen Klang der tiefen Instrumente durchaus die Eigenbezeichnung „Brass Band“ berechtigt erscheinen. Hinzu kommt, dass die drei Musikanten ständig in Bewegung sind, wie bei modernen Brass Ensembles üblich frech und lustvoll Stil und Formen mischen und einfach nicht zu bremsen sind. Randvoll sprühender Energie, blasen und trommeln sie ihre überschaubare Grösse mit einem muskulösen, überschwänglichen Sound schlicht in die Ecke.
Dabei lassen sie nachdenkliche und zärtlich-raue Klänge keineswegs vermissen, wie es in „Rimdir“ mit seufzender Verschmitztheit wärmstens zum Ausdruck kommt. Zuletzt aber nimmt sich das Mini-Brass-Trio mit „Ssst“ noch einmal selbst fröhlich trunken und widerborstig auf den Arm. Spät nachts in der Küche – da ist echt etwas los, wechseln die Stile wie Sprachfetzen von Funk zu New Orleans, zu punkiger Attitüde bis zu knirschendem Blues. Oder wie die Band es selbst ausdrückt: „sie spielt quecksilbrige Harmonien, setzt spontane Akzente, lässt melodische Erwartungen zusammenkrachen“ und überhaupt „Wände wackeln“. In dieser Zeit wackeln zwar höchstens die Boxen – die aber so, dass man tierisch Sehnsucht bekommt, diese Band endlich mal (wieder) live zu erleben. Michael Scheiner
INSOMNIA BRASS BAND, Late Night Kitchen, Tiger Moon Records TMR 009 CD, www.tigermoonrecords.com
Anke Lucks – trombone
Almut Schlichting – baritone saxophone
Christian Marien – drums
Rimdir habe ich mir soeben angehört. Ich finde es sehr amüsant und, wie schon beschrieben“eigen“. Dabei finde ich den Sound beziehungsweise die Musik dieser Band für live Performance ideal. Es muss großen Spaß machen ein Konzert mit gut gelaunten Leuten zu sehen und zu hören!
Schade nur, dass live gespielte Musik im Moment nicht möglich ist. Ich hoffe die Musiker kommen gut über die Corona-Zeit und dass es die Band dann noch gibt.