Die Intellektuellen unter uns strapazieren gerne das Modewort vom „Narrativ“. Dahinter verbirgt sich der uralte Wunsch, eine Geschichte erzählt zu bekommen. Dass man damit jedes Publikum für sich gewinnt, demonstriert das „Horst Hansen Trio“ seit nunmehr fast zehn Jahren – und bot eine Neuauflage seiner Kunst auf einer malerischen Wiese hinter der münsterländischen Kolvenburg. Die musikalischen Farben im „Horst Hansen Trio“ sind derweil so bunt wie die Socken der fünf….
Sie fühlen sich von einem alten Krefelder Jazz-Urgestein und Tanzmusiker namens Horst Hansen inspiriert, den sie auf ihrem neuen Album auch in raren O-Ton-Dokumenten zu Wort kommen lassen. Bei allem schrägen Humor ist dies ein warmherziges Statement fürs Lokalkolorit beim Jazzklub Krefeld, der für die musikalische Sozialisation prägend war. „Live in Japan“ heißt das neue Album hochtrabend – wurde aber in der Abgeschiedenheit einer Schweizer Berghütte aufgenommen. Die ironische Überspitzung einschlägiger Hype-Attribute gehört zur künstlerischen Erzählung dieser Musiker ohne Schuhe. Und deren Lügengeschichten auch immer etwas charmant „ehrliches“ anhaftet…
Alleinstellungsmerkmale
Genug zum schrägen Überbau, denn auch die Musik bietet genug Alleinstellungsmerkmale auf: Es lebt eine tiefe gemeinsame Bandchemie, die sich beständig weiter entwickelt und live auf der Bühne in jedem Moment neu, mitunter explosiv entzündet. Der Gitarrist ging und ein Trompeter kam, was ganz neue Farben ins Spiel bringt: Weniger Rock und dafür mehr Jazz könnte die Formel lauten. Aber es wäre kein „Überjazz“, wenn das eine das andere ausschließen würde. Alle Resultate der neuesten musikalischen Erkundungen fließen ohne Filter ein: Gleich zu Beginn legt die Trompete mit einer flammenden Beboplinie los. Bass, Schlagzeug und Synthesizer zimmern einen hiphopartigen Groove, der vielleicht schon im nächsten Moment zu stilsicher kredenztem Swing mutiert. Es treibt mal latinmäßig voran, dann wird im Reggaegroove gechillt. Wenn alle gemeinsam in die Vollen gehen, kommt gerne ein lässiger Bigband-Swing dabei heraus, der im nächsten Moment zu heißem Progressive Rock mutiert oder herrliche „vintagemäßige“ Tanzmusik-Anklänge offenbart. Trompeter Otto (eigentlich Linus Klitzing) und Saxofonist Manfred (alias Lukas Weber) sind wohl „die“ Traum-Kombination, wenn sie gemeinsam solieren und fantasieren. Keyboarder Hans-Dieter Zimmermann (bürgerlich Carsten Hackler) waltet wie ein echtes Klangfarbenchamäleon auf Fender Rhodes, fetter Hammondorgel, psychedelischem Synthesizer. Und Schlagzeuger Eberhard (alias Till Menzer) überbietet sich ohnehin als rhythmischer Verwandlungskünstler. Dass das ganze auch durch keine spontan dazwischen funkende Standup-Comedy aus den Fugen gerät, braucht keiner weiteren Erwähnung. War die Technik-Panne mit dem Mikro ein Zufall oder doch geplant? Die Sprüche sind urkomisch, spontan, die Bühnenpräsenz vor allem des Saxofonisten hat Rampensau-Qualitäten, die Frische und Spontaneität der quirligen Band-Interaktion versiegt nie, wo ein sprühender Humor als ständig hochgespannte Triebfeder wirkt. Schließlich bedankten sie sich beim Publikum fürs Mitmachen und Teilhaben mit einer herrlich schrägen Mitsing-Einlage.
Frisch und hip
Das ganze hat sich längst weit herum gesprochen. Japan ist de facto zwar wohl noch Zukunftsmusik aber wenn jetzt alles gut geht, spielt mit dem „Horst Hansen Trio“ bald eine der frischesten, unterhaltsamsten Jazzbands aus NRW in Berlins hipper Berghain-Kantine.
Saxophon – Manfred (Lukas Weber, *1990)
Trompete – Otto (Linus Klitzing, *1995)
Schlagwerk – Eberhardt (Till Menzer, *1992)
Bass – Heinz (Sebastian Ascher, *1996)
Klaviatur – Hans-Dieter Zimmermann (Carsten Hackler, *1992)
Unvergesslicher Anblick
Durch eine farbenfrohe Fußbedeckung und einen unverwechselbaren modischen Schick wird dem Publikum bereits vor Erklingen des ersten Tons ein Anblick geboten, den es so schnell nicht vergessen wird. Was nun folgt sind facettenreiche, eigenwillige Interpretationen des modernen Jazz. Hierbei schreckt das Krefelder Horst Hansen Trio nicht davor zurück, sich der Stilistik verschiedener Genres (u.a. Fusion, Hip Hop, Drum&Bass) zu bedienen. Ihre Musik ist ehrlich und nicht verkopft. Eingesessene Vorstellungen werden über Bord geworfen um Platz für groovige Rhythmen, wilde Taktwechsel und energetische Improvisationen zu schaffen. Dadurch zieht die Show nicht nur eingefleischte Jazzfans in ihren Bann, sondern begeistert auch ein Publikum über Jazzgrenzen hinaus – heftiger Überjazz eben.
Zweites Studioalbum
Nach fast zehnjährigem Bandbestehen mit zahlreich Konzerten wie dem XJazz Festival Berlin, der Düsseldorfer Jazzrally, den Leverkusener Jazztagen (Future Sounds), dem Jazzfestival Moers, dem Jazzfestival Freiburg, dem Kulturzelt Kassel u.v.m. wird im Frühjahr 2020 das zweite Studioalbum des Horst Hansen Trios erscheinen. Die Band widmet sich im neuen Album dem Schaffen ihres Namensgebers, dem ehemaligen Krefelder Jazzmusiker Horst Hansen. Wuchtige Moogsynthesizer und treibende Drum-Beats erzählen von Meilensteinen, wie der waghalsigen Schwedenreise Horst Hansens. Swingende Beboplines von Saxophon und Trompete entführen den Hörer in die pulsierende Düsseldorfer Kneipenszene der 60er Jahre. Bläserfanfaren feiern Horst Hansens große Erfolge, wie den zweiten Platz beim Schlagzeug-Wettbewerb 1962 in Düsseldorf-Rath, von dessen Glanz die Band noch heute zehrt.
Das Titelbild zeigt das Cover der CD „Live in Japan“ des Horst Hansen Trios.
Autor: Stefan Pieper