Bezau Beatz: Das Jazzfestival im Bregenzerwald als Limited Edition

Die Dreizehn, natürlich! Wäre Alfred Vogel abergläubisch, hätte er schnell eine Theorie zur Hand haben können, warum die diesjährige Ausgabe der Bezau Beatz am 7./8.August 2020 anders über die Bühne ging, als während der vergangenen zwölf Festivaljahre. Aber erstens ist er Pragmatiker und im Kern seines Wesens Optimist und zweitens hat die Seuche das Kultur- und Zusammenleben weltweit beeinflusst. Und so wurden auch die Konzerte im Bregenzerwald zur Herausforderung für den Veranstalter. Erst abgesagt, dann doch für 100 Zuhörer erlaubt, stellte Vogel innerhalb eines knappen Monats eine „Limited Edition“ auf die Beine, die mit acht statt ursprünglich dreizehn Konzerten Zeichen der Kontinuität setzte.

Angesichts der minimierten Reisemöglichkeiten stammten die meisten Künstler aus Deutschland und Österreich, wenn sie nicht, wie das internationale Partnerschafts-Duo Maya Homburger und Barry Guy, zufällig ihre Sommerresidenz nebenan im Schweizerischen Winterthur hatten und sich somit ohne übermäßigen Aufwand auf den Weg machen konnten. Ihr Konzert in der Dorfkirche von Bezau gehörte dann auch zu den Glanzlichtern des Festivals, konzeptuell ebenso wie spielerisch. Denn Homburger und Guy nahmen sowohl Barockes wie Gegenwärtiges ins Programm und ließen sich von experimenteller Gestaltungslust in eigenen Improvisationen wie auch von der Strenge eines Bachs oder der „Kreuzigung“ aus der „Rosenkranzsonate Nr.10“ von Heinrich Ignaz Franz Biber treiben. Hinreißend in der Kommunikation, charmant im britisch getönten trockenen Humor öffnete das Duo die Perspektive in Richtung einer europäisch fundierten Klangvielfalt, die als Motto letztlich alle Konzerte prägte.

So jonglierte das Trio Dell Lillinger Westergaard mit ähnlichen Ideen, löste die Vorgaben allerdings in einer spontan wirkenden Hyperkontextualität ein. Das an sich karge Klangbild von Vibraphon, Schlagzeug und Bass wurde von den drei Intellektuellen mit gestalterischer Sportlichkeit verdichtet, so fest, dass die Hörwahrnehmung der Einzelheiten an ihre Grenzen stieß. Es war ein klarer Kontrast zu dem kammerexpressiven Duo des Saxophonisten Mats Gustafsson mit dem Elektroniker und Textarbeiter Christoph Kurzmann, das zuvor sich an einem Flow aus Geräuschen, Kleinmotiven und assoziativen Texturen orientiert hatte. Oder auch zum Eröffnungskonzert in der Remise des Wälderbähnle, wo das Adelphi Quartett mit einem Brückenschlag zur klassisch modernen Literatur des Streichquartetts einstieg.

An Grenzen anderer Art hingegen stieß das Berliner Quartett des Gitarristen Luca Aaron und des Bassisten Felix Henkelhausen mit Saxophonist Philipp Gropper und Drummer Jim Black. Denn obwohl zwei Generationen extensiv improvisierender Musiker aufeinander trafen, blieben sie einem eher altbacken überdrehten Klangkonzept verhaftet, das Ausdruck mit Dynamik und rhythmischer Opulenz gleichsetzte. Das zehrte viel vom Indie-Geist der Neunziger, ohne dabei aber unabhängig zu sein, und verlor die musikalische Energie daher an die Behauptung einer Intensität der Überfülle. Das Quintett Dahlgren schließlich positionierte den Wahlberliner Bassisten Chris Dahlgren in seiner neuen Rolle als Singer und Songwriter, mit charmant surrealen Texten und einem Klangensemble, das in ferner Nachfolge des Tom-Waits-Kosmos das Knorrig-Absurde des Altmännerlebens zelebrierte.

Zur Abrundung schließlich gab es noch eine Impro-Tanz-Performance mit Gustafssons möpenden, fiependen, atmenden Saxophonen, einer mit Stimmfetzen bewegend ornamentierenden Almut Kühne und der dazu über ein Tennisfeld gleitenden Tänzerin Nayana Keshava Bhat. Es mag eine limitierte, dreizehnte Ausgabe der Bezau Beatz gewesen sein, die mit viel Schweiß und Organisationstrubel im Hintergrund zustande kam. Es war aber trotzdem ein Festival, das auch unter erschwerten Bedingungen sein Profil als eigenständige, selbstbewusst ausdrucksoffene Stimme im Kulturdiskurs behaupten konnte.

Text und Fotos: Ralf Dombrowski

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