Dunkle Berge, lichte Höhen – Michael Scheiner über ein neues Album des Quartetts Woodoism

Dunkle Berge, lichte Höhen

Zum Album „Refugium“ von Florian Weiss‘ Woodoism

Von Michael Scheiner

„Oh-oh, hohe Berge“ sang Frl. Menke 1982 in ihrem sinnfrei zusammengebastelten NDW-Song über Alpentourismus und eidgenössische Klischees. Ein fernes Echo aus der Zukunft zirpt, growlt, faucht und flötet nun munter davon, dass es in der Schweiz noch ganz andere zu besingende Dinge zu entdecken gibt. „Woodoism“ nennt der Posaunist Florian Weiss sein 2013 gegründetes Quartett mit Linus Amstad (sax) als zweiten Bläser und Valentin v. Fischer (bass) und Philipp Leidundgut (dr) als kompakte Grooveeinheit. Im Bandnamen klingt einerseits die Wärme des Holzes an, den die vier jungen Musiker mit dem eigenen Bandklang verbinden. Zudem verfängt oder spiegelt sich darin Voodoo, ein schamanistischer Glaube, vor dem auch die rationalen Schweizer keineswegs gefeit sind.

In seinen „Skrupel“, „Lampenfieber“ oder „iStop oder die Zeitanhaltuhr“ kurios betitelten Stücken, die bis auf eines alle vom Weiss geschrieben sind, erzählt der Komponist Geschichten – inspiriert von oft selbst erlebten Ereignissen oder Eindrücken. Diese kleidet er in einen kammermusikalisch modernen Jazz, der rauh und rabiat oder verhalten und zart zugleich daher kommt. Weiss und seine drei Partner, die sich auf der Hochschule in Basel kennengelernt haben, errichten mit virtuoser Leidenschaft und Hingabe subtile mehrstimmige Klangbilder, walzen sich zu Multiphonics drehend im „Danse Amoureuse“ oder lassen es krachen, als polterte ein Steinschlag ins Tal. Dabei spielen neben tiefem Ernst und künstlerischer Kraft durchaus Witz und heiteres Vergnügen mit herein.

Mit Refugium legt Weiss’ Woodoism ihr zweites Album vor. Aufgenommen haben sie es in den legendären Bauer Studios in Ludwigsburg und beim dortigen Label Neuklang veröffentlicht. Bereits vor dem Debütalbum, einer vielgelobten Eigenproduktion, wird die Band 2015 mit der Wahl in die „DKSJ-Best of Swiss-Jazz-Bachelors“-Konzertreihe aufgenommen. Und drei Jahre später gewinnt sie den „ZKB Jazzpreis“ und den Publikumspreis.

„Refugium ist der Titel eines der Stücke“ erzählt der Posaunist über das neue Album, „die mir besonders am Herzen liegen. Gewidmet ist er einem imaginären Ort, an dem man sich sicher und geborgen fühlt. An dem Zeit und Verpflichtungen, Probleme, Stress und Alltag keine Rolle spielen. Das Album heißt genauso, weil diese Band in gewisser Weise mein musikalisches Refugium ist. Hier bringe ich meine Stücke mit, hier feilen wir gemeinsam an unseren musikalischen Ideen und an deren Umsetzung. Es ist schön zu spüren, dass alle am gleichen Strang ziehen und ein starkes Commitment der Band gegenüber erkennen lassen.“ Dem Quartett ist ein erfrischend kluges und angenehm unterhaltsames Kabinettstück gelungen, das sich freimütig bluesiger Ideen, grooviger Verspieltheit und solistischer Risikobereitschaft bedient. Damit bringt es Licht in die dunkelsten Winkel schweizerischer Berge und Wälder. Gern folgt man der Band in ihr musikalisches Buschwerk und lässt seine Assoziationen zu den Stücken zu einer vielgestaltigen Geschichte ausspinnen.

CD: Florian Weiss‘ Woodoism, Refugium, Neuklang / In-Akustik NCD4197

Florian Weiss * komposition, posaune
Linus Amstad * altsaxofon
Valentin v. Fischer * kontrabass
Philipp Leibundgut * schlagzeug, glockenspiel

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