Musik eines Genies – neu interpretiert 

Ein Quintett aus München lässt die Musik des Bebop-Saxofonisten Charlie Parker beim Jazzclub Regensburg wieder aufleben.  
Regensburg. Er war ein Genie. Ein tragisches sagen viele, ein „natürliches Genie“, wie es einmal Gigi Gryce, Mitglied der Jazz Messengers und Altsaxofonist wie sein Freund Charlie Parker, über diesen ausdrückte. Der Einfluss, den der bereits mit 34 Jahren verstorbene Saxofonist auf die – weitere – Entwicklung des Jazz hatte und noch immer hat, ist immens. Heuer wäre Charlie Parker, „Bird“ wie er von seinen Kollegen genannt wurde, hundert Jahre alt geworden.

Da kommt das Bandprojekt von Geiger Jörg Widmoser und Klarinettist Stephan Holstein, „The music of Charlie Parker“, gerade richtig. Die beiden Münchner haben ein ganzes Album mit Kompositionen des Meisters und Mit-Erfinders des Bebop im Quintett aufgenommen. In einem gut besuchten Konzert stellten sie es beim Jazzclub Regensburg mit Thomas Stabenow am Bass, dem fränkischen Pianisten Bernhard Pichl und dem Augsburger Schlagzeuger Walter Bittner im Leeren Beutel vor. Aufgenommen und veröffentlicht haben die beiden das gleichnamige Album bereits vor zwei Jahren, „da haben wir überhaupt nicht daran gedacht, dass Parkers Jubiläumsgeburtstag ansteht“, rückt Holstein die zeitliche Koinzidenz zurecht.

Dann schnippt der hochgewachsene Klarinettenspieler ein paar Mal mit den Fingern. „One two, … one two,… one, two, three, four“ – und mit dem kollektiven Einsetzen des ersten Takts geht die Post ab. Zunächst noch etwas gemächlich. Das eher ruhigere und melodisch durchaus noch eingängige „Yardbird Suite“ gehört nicht zu den Klassikern des großen Bop-Revolutionärs und ist auch nicht auf dem Album zu finden. Das deutlich vertracktere und weniger eingängige „Confirmation“, welches das Quintett als nächstes anstimmt, dagegen schon. Wie aus einem Guss markieren Holstein und Widmoser im perfekten Unisono das sperrige Thema, während die „rhythm section“ geschliffen swingend im Hintergrund das Fundament für die Improvisationen und Solobeiträge der zwei Frontmusiker legt.

„Be-Bop in Reinkultur“, wie die hervorragend aufeinander eingestellte Kapelle im Programm des Clubs angekündigt ist, bietet der Auftritt natürlich nicht, das wäre vermutlich heute fad. Alle fünf Musiker sind auch in anderen Genres und Stile unterwegs und haben unterschiedlich intensiv die Entwicklungen des modernen zeitgenössischen Jazz mitgemacht. Diese Erfahrungen sind auch immer wieder einmal durchhörbar, sei es im wunderbaren, gewitzten Spiel des musikantischen Schlagzeugers, in den einfallsreichen Bassläufen Stabenows oder den trockenen Einwürfen Pichls.

Parkers Stücke selbst, vom intellektuell verzwickten „Anthropology“ über die wundervolle Ballade „Lover Man“ – ein Paradesong von Billie Holiday, die wie ein Blues klingt ohne einer zu sein – bis zum unvermeidlichen „Donna Lee“ sind dennoch mit viel Gefühl und künstlerischem Respekt für das jeweilige Original arrangiert. Mit einem herzerwärmenden Intro tastet sich Holstein in Holidays „Lover Man“ hinein und gibt dem so sehnsuchtsvollen  Lied, ohne Jörg Widmoser, der bei dieser Nummer aussetzt, eine melancholische Note, die die Zuhörer sichtlich anrührt und zu heftigem Beifall anstachelt.

Nach der Pause bleiben die beiden Solisten, die sich so kunstvoll die Bälle zuwerfen und zunehmend leidenschaftlicher und prägnanter improvisieren, was Geige und Klarinette hergeben, zunächst hinterm Vorhang im Backstage-Bereich. Die Rhythmusknechte, wie  die Begleitmusiker älterer Stilarten früher manchmal geschmäht wurden, spielten einen modernen Titel im Trio. Die Intensität und ausgefeilten technisch-musikalischen Fähigkeiten, welche Stabenow, Pichl und Bittner dabei an den Tag legen, überzeugend älteres, wie jüngeres Publikum derart, dass danach ein richtiger Beifallsturm losbricht.

Mit dem bluesigen Dizzy-Gillespie-Titel „Birks World“ und der Ballade „My old flame“ – ein vor allem im zweiten Teil packender Abend mit hinreißend gespieltem Mainstreamjazz.

Text und alle Fotos: Von Michael Scheiner

Info: Jörg Widmoser hat sich einen internationalen Ruf als einer der besten Jazzgeiger vorrangig mit dem Modern String Quartet erspielt. Diese Streichquartett hat er 1984 gegründet und damit weltweit Tourneen absolviert. Mit dem aus Baden stammenden Klarinettenspieler Stephan Holstein ist er seit langem befreundet, die beiden haben Projekten wie dem Kammerorchester Werneck und verschiedenen Jazzbands zusammen gespielt. Ihr Album „The Music of Charlie Parker“ ist 2018 bei
Upsolute Music Records erschienen und können über die Webseite bestellt werden: https://widmoser.de/blog/diskographie/

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