„Normalerweise spielen wir keine Zugaben“, zeigte sich Vincent Glanzmann verblüfft über den anhaltenden Beifall nach dem Konzert mit seinem Trio Uassyn im Leeren Beutel. „Bei uns klatschen die Zuhörer sonst nicht so viel“, grinste er sichtlich angetan. „Jetzt wissen wir gar nicht …“, überlegte er kurz, „aber uns fällt schon etwas ein, was wir machen können“, und setzte sich wieder auf den Hocker hinterm Schlagzeug. Nach einigen Blicken, mit denen er sich mit seinen Mitmusikern Silvan Jeger am Bass und Tapiwa Svosve am Altsaxofon verständigte, legten die drei mit rhythmischer Prägnanz und vibrierender Energie los. Nur wenige Minuten, dann war der kurze, dichte Ausbruch freier Improvisation vorbei. Das Publikum, zahlenmäßig durchaus überschaubar, zeigte den Schweizern noch einmal, dass man mit komplexer Musik in Ostbayern durchaus reüssieren kann.
Hochenergetisch
Leichte Kost war es keine, die das Trio mit dem seltsamen, frei erfundenen Namen bei seinem Jazzclub-Debüt bot. Schon die Aufstellung der Musiker auf der Bühne unterschied sich formal deutlich vom üblichen Schema. Statt etwas weiter hinten, saß der Schlagzeuger nahe am Bühnenrand, mit dem Rücken halb zum Publikum gewandt. Jeger und Svosve standen ihm gegenüber und bildeten zusammen mit Glanzmann einen Kreis. Das ermöglichte den Dreien ohne zusätzliche Monitore, ganz genau auf die jeweils anderen zu hören und zu reagieren. Diese musikalisch sensible Interaktion, der ganz bewusst auch eine soziale Komponente zugrundeliegt, bestimmte den hochenergetischen Auftritt.
Erschaffen und erleben
Die Stücke wie „Zacharya“, „Twain“ und „Kheretem“ basieren auf einer rhythmischen Struktur, einem groben Gerüst, innerhalb dessen die Musiker frei improvisierend agieren. Befeuert von fanfarenartigen Klangfahnen des Altsaxofonisten, lieferten sich Jeger am Bass und Glanzmann am Schlagzeug ein dichtes Rennen, dem jeglicher Wettkampfcharakter abging. Hinter den geschlossenen Augenlidern konnte man den Glanz und die Genugtuung des gemeinsamen Erschaffens und Erlebens erahnen. Von der Lautstärke her wirkte das virtuose Spiel der Drei selbst in dichtesten, kraftvollen Passagen durchaus moderat. Dagegen hätte man in den wunderbar lyrischen, leisen Passagen die vielzitierte Stecknadel auf den Boden fallen hören können.
Aber Uassyn knüpfte auf eigene lyrisch-robuste Weise nicht nur an die Tradition des Freejazz und der Avantgarde-Kooperative AACM von Chicago an. In einer groovigen Nummer, die sie mit Witz und herrlich verschränkten Rhythmen auf drei Kuhglocken zum Besten gaben, setzten sie auch eine urschweizerische musikalische Tradition fort. Eine lustvolle rhythmische Vielgestaltigkeit, die wie ein Tanz ums Goldene Kalb wirkte, das juchzend auf jede Anbetung pfeift. Eine insgesamt ungemein spannende Musik, geformt in filigraner Zerbrechlichkeit und kraftvoller, vibrierender Sensibilität. In ihr wurde ein gemeinsamer Kern hörbar – und sprang aufs Publikum über. (mic)
Info:
Tapiwa Svosve – as, bells Silvan Jeger – b, bells Vincent Glanzmann – dr, bells |