Im Falle des in Remscheid geborenen Gitarristen Tobias Hoffmann überschlägt sich die Presse förmlich mit Lobeshymnen: Ob Die ZEIT, Jazzthing, Jazzethik, Stereoplay, Eclipsed, die Jazzzeitung… sie alle stellen die Meisterschaft, das Raffinement, den Ideenreichtum, die Einmaligkeit oder die Experimentierlust Hoffmanns in den Fokus. Am Wochenende konnte sich das Hürther Publikum von den Qualitäten des komponierenden Gitarristen überzeugen, der dem Jazzkeller auf der Hermülheimer Straße zusammen mit seinem Trio einen Besuch abstattete. Gemeinsam mit Frank Schönhofer (Bass) und Etienne Nillesen (Schlagzeug) zeigte Hoffmann seine eigenwilligen Neu-Interpretationen von Klassikern und Standards verschiedener Genres und Epochen, gewährte aber auch einen Einblick in das Repertoire der dritten CD, die das Trio in Kürze veröffentlichen wird.
Kaleidoskopischen Blick
Unter Hochspannung auf der Stuhlkante sitzend, kaum mit den Zehenspitzen den Boden berührend, wand und schraubte Hoffmann sich im Laufe des Abends mit seinem ganzen Körper in die komplizierten Schichten seines facettenreichen Gitarrenspiels hinein. Hoffmann ließ sein Instrument durch Stile wie Jazz, Blues Rock und Fusion hindurch aufjaulen, jubilieren, schreien und röhren. Dabei eröffnete er einen kaleidoskopischen Blick auf die vielfältige Geschichte der E-Gitarre und modifizierte den Klang seines Instruments mit einer Vielzahl an Pedals, die er vor sich auf dem Boden aufgebaut hatte. Durch den Einsatz von Verzerrern und eines Line 6 Delays, das er als Looper nutzte, klang der Einstieg in den Abend überraschend elektronisch: Hallende Tropfen lösten sich stetig aus einem undefinierbaren Klanggewölbe, um schließlich unvermittelt in einer blueslastigen Bassfigur aufzugehen, die Frank Schönhofer solide und klangvoll einspielte. Es war der Moment, in dem Kenny Burrells «Chitlins con Carne» erkennbar wurden und das Publikum bereits gefangen war. Bereitwillig ließen sich die Zuhörer von der Virtuosität der Musiker packen und auf die epische Weiterentwicklung ein, die Burrells Blues schließlich in Son Houses «Death Letter Blues» münden ließ.
Schmerzlich melancholische Ballade
Je nach Stück legte Tobias Hoffmann das Plektrum aus der Hand und spielte mehrstimmig in fast klassischer Fingertechnik. So etwa in Neil Youngs Nummer «Harvest Moon», in die das Trio vorsichtig tastend hineinzugleiten schien. Wie weit die Experimentierlust des Trios geht, zeigte sich in einer Fassung des The-Doors-Klassikers «Riding On The Storm», der wie eine konvulsiv wabernde Klangmasse über das Publikum hinwegzog. Der 1984 von Kylie Minogue gecoverte Hit «The-Locomotion», den Little Eva 22 Jahre zuvor erstmals interpretiert hatte, wurde endlos gedehnt zu einer sehr aktuellen, schmerzlich melancholischen Ballade. Wie in Zeitlupe betrachtete das Trio auch The Kinks‘ «You Really Got Me». In Bruce Spingsteens «The River» zeigte sich Etienne Nillesen als ausgesprochen lyrischer und fantasievoller Schlagzeuger, der das Stück als vollkommen gleichberechtigter musikalischer Partner in komplizierte Rhythmen und Figuren aufbrach, ohne sich dabei in den Vordergrund drängen zu müssen – das war ganz große Kunst. Als einen der Höhepunkte des Abends sparten sich die Musiker mit Voodoo Child (Jimi Hendrix) für den Schluss ein geradezu ikonisches Bluesrock-Stück auf und begeisterten damit das Publikum so sehr, dass es sich einen Rundlug auf den Schwingen von Peter Greens «Albatros» erklatschte.
Hürth ist in der Jazzlandschaft längst eine Marke
Günter Reiners, Vorsitzender des Jazzclubs Hürth, war restlos begeistert: „Mit dem Tobias Hoffmann Trio haben wir eines der vielleicht bedeutendsten Gitarrentrios unserer Region eingeladen. Nicht nur die Presse lobt die Musiker in höchsten Tönen. Für ihr Debütalbum erhielten sie 2015 einen ECHO-Preis. Dass wir nun hier in Hürth exklusiv einen Ausblick auf die dritte CD des Ensembles erhalten haben, ehrt uns. Und es zeigt uns: Hürth ist dank unseres Vereins und seiner steten Bemühungen in der Jazzlandschaft längst eine Marke.“ Das nächste Konzert des Jazzclubs bringt am 20. September Todd Clouser und José Díaz de León in den Jazzkeller. „Zu diesem gitarristischen Gipfeltreffen laden wir alle Jazzfreunde herzlich ein – es lohnt sich in jedem Fall“, versicherte Reiners.
Text: Dr. Michael Vogt