In München ist vom 22. bis 27. Juli 2019 eine sehr vielfältige Auswahl an internationalen Jazz-Künstlern zu Gast bei der 28. Ausgabe des Jazzsommer im Bayerischen Hof. Daneben sind auch einige Jazz-Biopics im hauseigenen Kino zu sehen, darunter der aktuelle Dokumentarfilm über die Blue Note-Gründer „It Must Schwing – The Blue Note Story“. Milan Mihajlovic zeigt außerdem in der Ausstellung „Beautiful Dream“ seine vom Album „Colors“ von Vladislav Cojocaru inspirierten Gemälde.
Einen Vorgeschmack auf den 28. Jazzsommer gibt der diesjährige Preisträger des Kurt Maas Jazz Awards, Gero Hensel, mit seinem Ensemble am 21. Juli. Der Preis wird seit 2013 von der Hochschule für Musik und Theater München zum Gedenken an Maas vergeben und dient der Förderung junger, talentierter Musiker des Jazz Instituts. Gero Hensel verbindet in seiner Musik traditionellen Jazz-Sound im Stile eines Miles Davis oder Chet Baker mit dem Klangideal zeitgenössischer Jazzmusiker, wie Tomasz Stanko. Er lässt dabei auch Elemente der klassischen Musik und folkloristische Momente der Balkan- und Worldmusik einfließen. Dabei entstehen komplexe Kompositionen mit starker melodischer und harmonischer Prägung durch die südosteuropäische und orientalische Musik, die aber ihre Wurzeln in der Tradition des Jazz nicht vergessen und die den einzelnen Musikern viel Freiraum zur improvisatorischen Entfaltung bieten.
Zum eigentlichen Festivalauftakt am 22. Juli kommt dann der Ausnahmemusiker Gilberto Gil in den Bayerischen Hof. Bereits seit den 70er Jahren setzt Gil neue musikalische Maßstäbe. Er hat verschiedene Musikwelten zusammengeführt und zu etwas Neuem, originär Brasilianischem verschmolzen. Tropicália hieß der Stil, für den er und sein heute nicht weniger berühmter Kollege Caetano Veloso damals standen: Eine tropische Fusion von Rock und Samba, von elektronischen Gitarren und traditionellen Instrumenten, von Weltmusik und Volksweisen, von Straßengeräuschen und Indianerklängen. Gilberto Gil hat die Gabe, jeden Aspekt des täglichen Lebens in seine Arbeit zu integrieren. Vom Familienleben bis zu politischen, sozialen oder kulturellen Bewegungen, die seine Zeit prägen, ist alles Inspiration für ein neues Lied, eine Idee für eine Melodie, eine geniale harmonische Bewegung. In seinem Heimatland war er 2003 der erste farbige Kulturminister. Sein neues Album „OK OK OK“ bringt Familie, enge Freunde, die Krankheit, die er erlebt hat und diejenigen, die ihm geholfen haben, zusammen. Die Arrangements verstärken seine ikonische Interpretation in Gesang und Gitarre. Als Special Guest bringt Gilberto Gil seine junge Kollegin Roberta Sa mit nach München.
Im Night Club spielt direkt im Anschluss die Band Moshulu, ein neues Projekt, das vier Musiklegenden vereint: Den Bassisten Jeff Berlin, der mit Bill Bruford, Allan Holdsworth und HBC spielte, den Schlagzeuger Dennis Chambers, der mit Funkadelics, John Scofield und Santana auftrat, den Keyboarder und Gitarristen David Sancious, der mit Bruce Springsteen und Sting arbeitete und den großartigen Gitarristen Oz Noy. Ihr Repertoire reicht von Funk, über Rock, Metal und Fusion bis hin zu neuer Klassik und Improvisation.
Am 23. Juli feiert Orgel-Legende Joey DeFrancesco das 30. Jubiläum seines Debütalbums und die Veröffentlichung seines neuen Albums „In The Key Of The Universe“ auf Mack Avenue Records mit seinem Publikum im Bayerischen Hof. DeFrancesco, der bereits vier mal für den Grammy nominiert war und inzwischen in die Hammond Organ Hall of Fame aufgenommen wurde, arbeitete schon in jungen Jahren mit Weltstars wie Miles Davis und John McLaughlin, in dessen Trio er auch später lange spielte. Mit McLaughlin und Schlagzeuger Dennis Chambers, aber auch mit Gitarrist Frank Vignola oder Hammond-Orgel-Legende Jimmy Smith nahm er Alben auf. Mit dem erst letztes Jahr erschienenen Album „You’re Driving Me Crazy“ mit Van Morrison landete er sogar auf Platz 10 der deutschen Album-Charts. In München ist DeFrancesco mit dem Saxophonisten Troy Roberts und Schlagzeuger Khary Abdul Shaheed zu hören.
Am 24. Juli präsentiert der Jazzsommer Frankreichs neuen Star am Jazzhimmel: Camille Bertault. Sie hat sich mit „Giant Steps“ von Coltrane tatsächlich mit riesigen Schritten dem großen Erfolg genähert. Wer sie auf der Bühne live erlebt, spürt eine virtuose Energie, die sie beim Singen regelrecht zum Leuchten bringt. Der Titel ihres Debüt-Albums bei oKeh Records, „Pas de géant“,
ist die wörtliche Übersetzung des Jazzstandards, zu dem sie einen Text dichtete und damit auf YouTube für Aufsehen sorgte. Neben „Giant Steps“ versieht sie „House of Jade“ von Wayne Shorter und „Very Early“ von Bill Evans mit neuen Worten, singt entlang der Aria aus den Goldberg-Variationen, interpretiert Popsongs, wie „Comment te dire adieu“ von Serge Gainsbourg oder „La Femme coupée en morceaux“ von Michel Legrand und präsentiert daneben auch eigene Songs.
Der 25. Juli ist für John Medeski reserviert. Der Pianist ist bekannt für seine Arbeit mit dem Instrumentaltrio Medeski Martin & Wood. Doch Solokonzerte ermöglichen es ihm, tiefer in ein inneres Universum einzutauchen, anders mit Klang und Rhythmus zu arbeiten als im Trio. Sein Streben nach spontaner Musikmagie spiegelt sich unter anderem in seinen Reisen in die Dschungel und Berge Südamerikas wider, wo er mit Ureinwohnern zusammengearbeitet hat, deren klangliche Traditionen seit Jahrhunderten unverändert sind.
Diese Erfahrungen haben ihm geholfen, sich auf die spirituelleren Dimensionen des Schaffens zu konzentrieren, so Medeski. Seine unruhige Muse hat eine schwindelerregende Reihe von Projekten hervorgebracht. Zuletzt hat er mit den modernen Musikgiganten Vernon Reid, Jack Bruce und Cindy Blackman-Santana zusammengearbeitet, um Spectrum Road zu gründen, und mit dem zeitgenössischen klassischen Komponisten und Mac Arthur Fellow John Zorn auf Nova Express. Medeski spielte auch mit der Grammy-ausgezeichneten peruanischen Sängerin Susanna Baca, dem Saxophonisten James Carter und dem legendären Jazzgitarristen John Scofield zusammen. Sein aktuelles Album aus dem letzten Jahr heißt „Mad Skillet“ und erschien bei Indirecto.
China Moses führt am 26. Juli mit den Songs aus ihrem Album „Nightintales“ auf einen faszinierenden Trip durch nächtliche Geschichten. Mit warmer, erstaunlich wandelbarer Altstimme lässt die Tochter von Dee Dee Bridgewater die Figuren und Orte im Kopf des Zuhörers Gestalt annehmen, formt Bilder und Stimmungen. Ihre ersten Schritte als Sängerin wagte China Moses bereits als Teenager (sehenswert der Video-Clip ihrer ersten Single „Time“ von 1996 bei YouTube). 1997 veröffentlichte sie ihr Debüt-Album „China“, mit einem Gastauftritt u. a. der HipHop-Legende GURU. Mit zwei weiteren Alben und zahlreichen Features etablierte sie sich als gefragte Vokalistin in der aufstrebenden R&B-Szene ihrer Wahlheimat Paris. Der internationale Durchbruch gelang ihr 2008 mit dem Jazz-Album „This One’s for Dinah“, einer Liebeserklärung an ihr musikalisches Idol Dinah Washington. Mit „Nightintales“ tritt sie erstmals mit eigenen Songs ins Rampenlicht.
Zum Abschluss des Jazzsommers im Bayerischen Hof kommt am 27. Juli einer der wichtigsten Interpreten der Música Popular Brasileira, Komponist, Pianist und Sänger Ivan Lins in den Night Club. Seinen ersten Hit hatte der Komponist 1970 mit „Madalena“ in der Interpretation von Elis Regina. In den 80er Jahren steuerte er für das George Benson-Album „Give Me The Night“ den Titel „Dinorah, Dinorah“ bei. Quincy Jones engagierte ihn daraufhin für sein Album „The Dude“, wo er für Velas einen Grammy in der Kategorie „Best Jazz Performance“ erhielt. Auch auf Quincy Jones-Album „Back On The Block“, das ebenfalls einen Grammy gewann, war mit „Setembro“ eine Komposition von ihm vertreten. Für das Manhattan Transfer-Album „Brazil“ steuerte er ebenfalls Kompositionen bei. Seine Kompositionen wurden u.a. von Ella Fitzgerald, Sarah Vaughan, Carmen McRae, Nancy Wilson, Diane Schuur, Patti Austin, Take Six und Sergio Mendes interpretiert. In München tritt er mit Giovanni Ceccarrelli am Klavier, Giorgio Serci an der Gitarre, Nema Antunes am Bass, Francesco Petreni am Schlagzeug und Nanni Zedda als Background-Sängerin auf.
Beitragsbild: Cover des neuen Albums „OK OK OK“ von Gilberto Gil