Der New Yorker Mark Guiliana gehört zurzeit zu den gefragtesten Schlagzeugern: Er trommelt bei Avishai Cohen und bildet ein Duo mit Brad Mehldau. Vor allem: Sein Schlagzeugpart ist auf David Bowies – verblüffend jazzaffinen – letzten Album „Blackstar“ verewigt. Mark Guilianas Konzert im Dortmunder domicil bereicherte die Konzertreihe anlässlich des 50jährigen Bestehens des Dortmunder Jazzclubs – und wurde dem hohen Anspruch bestens gerecht!
Wenn Guiliana mit einer eigenen Band auf Solopfaden wandelt, braucht dieser vielseitige Weltklasse-Rhythmiker keine eitle Selbstdarstellung. Umso mehr ist beim aktuellen „Beat Music“-Projekt das stringente greifbare Thema das Herzensanliegen: Um „Fusion“ geht es, diese zeitlose Verschmelzung von Jazz mit Rock und elektronischer Musik. Und wie eine solche Praxis wie ein aufnahmefähiger Schwamm alle Sounds und Trends vorzugsweise aus einem elektronischen Universum aufzusaugen in der Lage ist…
Im Dortmunder domicil gibt Guilianas komprimiertes, von jeder virtuoser Eitelkeit befreites Schlagzeugspiel einer solchen Klangwelt den mächtigen, facettenreich ausdifferenzierten Puls. Also darf im Kollektiv in entrückte Galaxien abgehoben werden, was vor allem die beiden Keyboarder sicherstellen. Sam Crowe und Nicholas Semrad degradieren nicht etwa ihre Synthesizer zum „Werkzeug“ oder Füllmittel, sondern spielen diese Geräte als das, was sie sind: Expressive Instrumente, mit denen man Klangfarben emotional und sinnlich formen, modulieren, verbiegen, verdichten und aufs äußerste zuspitzen kann. Auf denen sich darüber hinaus in bester fantasievoller Jazz-Diktion improvisieren lässt. Das sorgt für eine Aura voller artifizieller Kühle und sinnlicher Wärme zugleich und das evoziert Dramatik im Breitwandformat. Wie diese beiden Tastenberserker, so gehen auch Guiliana selbst und Bassist Chris Morrissey eine weitere Symbiose in dieser Band ein: Guilianas raffiniertes, aber immer der gemeinsamen Sache dienende Spiel voller Gegenrhythmen, Breakbeats, Beckengezischel und Bassdrumgepolter verzahnt sich mit dem feinziselierten, manchmal fast an fernöstliche modale Medidationen erinnernde Bassläufe.
Vor allem der erste Konzertteil legt einschlägige Referenzen offen: Da prallt ein zeitlos futuristischer Fusion-Jazzrock, wie er auch vor dem Miles Davis der 1970er Jahre Gnade finden könnte, auf die Beatzerstückelungen der Drum and Bass Artisten der 1990er, zeugen Spurenelemente aus Grime, Garage und Dubstep von dem dezidierten Willen, so etwas weiter zu denken. Zuweilen verweisen latent „sakrale“ Harmonieverläufe auf das Markenzeichen jenes genialen britischen Elektronikmusikers und Avantgarde-Bassisten „Squarepusher“. Guilanas aktuelle Band schöpft mit nie versiegender Spielfreude eine manchmal fast eingängige Bühnen-Dramaturgie.
CD-Tipp
Mark Guiliana: Beat Music! Beat Music! Beat Music!
Stefan Pieper