„Gute Musik ist immer aktuell, schlechte nie“ – getreu diesem Zitat von Festivalorganisator und Macher Joe Viera fand dieses Jahr die 50. Jazzwoche Burghausen statt. Mit einem engagierten, interessanten Programm und Höhepunkten, die so manchen Jazz- und Musikfan noch lange schwärmen lassen wird. Jazzwoche Burghausen, das ist mehr als nur ein Festival, denn überall ist Musik: die ganze Stadt swingt, in der Fußgängerzone der Altstadt, vor dem Rathaus oder Cafés und last not least natürlich in der Wackerhalle, dem Stadtsaal oder dem traditionsreichen Jazzkeller. Das alles kombiniert mit einer begleitenden Ausstellung im Haus der Fotografie, einer neuen Bronzeplatte für Roy Hargrove – Langeweile oder Müßiggang kommen da zu keinem Zeitpunkt auf – man muss das Festival konzeptionell als Ganzes betrachten.
Internationale Stars und Größen wie Ramon Valle, Al di Meola, Terri Lyne Carrington gemeinsam mit Diane Reeves, Angelique Kidjo und Lizz Wright oder Sly & Robbie feat. Nils Petter Molvaer gaben sich dieses Jahr die Klinke in die Hand, um namentlich nur ein paar Highlights aufzuführen, die das Publikum anzogen und begeisterten. Insgesamt gab es in der Tat wenig musikalische Überraschungen, dafür jedoch jede Menge soliden, erstklassigen Jazz, genug Spaß, viel Abwechslung und ausverkaufte Spielstätten mit einem neuen Besucherrekord.
Das Finale des 11. Europäischen Nachwuchs-Jazzpreis (mittlerweile einer der renommierten Jazzpreise in Deutschland und ein heimliches Highlight des Festivals) hat dieses Jahr – wohl verdient – das LBT gewonnen, jenes richtungsweisende Jazztrio um Leo Betzl, das unkonventionell Techno- und Jazzwelt verbindet.
Der traditionelle Blues-Nachmittag am Samstag mit Walter Trout und Lucky Peterson fegte fast das Dach der Wackerhalle weg, während am Abend dann im Stadtsaal die Gruppe Rymden um Bugge Wesseltoft, Dan Berglund und Magnus Östrom ein unglaublich dynamisches Konzert gab. Jamie Cullum sprengte in der Wackerhalle erneut die Grenzen zwischen Pop und Jazz, riss das Publikum schließlich von den Sitzen und stellte eindrucksvoll unter Beweis, wie anspruchsvolles musikalisches Entertainment funktioniert.
Last not least zählen in Burghausen neben den vielen Konzerten und Veranstaltungen all die wunderbaren Begegnungen und Gespräche am Rande des Festivals – denn Jazz bewegt! In der Fußgängerzone begegnete mir Schwester Carmen von der Altöttinger Kongregation der Schwestern vom Heiligen Kreuz im dezenten schwarzen Burghausener Jazz T-Shirt: „Ich mag Jazz und stehe dazu!“ Das ist, was den Jazz ausmacht: Weitblick, Offenheit und Toleranz, der ohne Grenzen verbindet!
Zugegebenermaßen bin ich jetzt ein wenig geschafft, aber glücklich und gleichzeitig auch ein wenig übernächtigt. Was allerdings nicht unbedingt an den Konzerten der Burghausener Jazzwoche oder Umstellung auf die Sommerzeit liegt, sondern vielmehr an dem unglaublichen Buch „It has lines in its face“, einer wunderbaren Publikation anlässlich 50 Jahre Internationale Jazzwoche Burghausen, die Roland Spiegel und Ulrich Habersetzer mit viel Liebe zum Detail recherchiert und zusammengestellt haben. Eigentlich wollte ich, nach der Jazzwoche wieder zuhause angekommen, nur mal kurz in das Buch reinschauen, bin dann aber, ob der spannenden Stories und Schilderungen, hängengeblieben und habe es bis zum Schluss nicht mehr aus der Hand gelegt.
Jazzwoche Burghausen: Danke für 50 Jahre Jazz, wiederum einzigartige Tage und wunderbare Begegnungen, herzlichen Glückwunsch zu einem wirklich gelungenen Jubiläum … und … ad multos annos!
Für alle Buchinteressierten: „It has lines in its face“ ist zu beziehen beim BR-Shop unter https://www.br-shop.de/buecher/