Peter Evans „Pulverize the Sound“ beim Krefelder Jazzherbst

Von Stefan Pieper. Ungestümer Spielwitz im Livekonzert deutet darauf hin, dass es Musikern, die solchen auf der Bühne ausleben, auch im „realen“ Leben nicht daran mangelt. So ergötzte sich der New Yorker Bassist Tim Dahl erst mal ausgiebig über das deutsche Wort „Schweinshaxe“, was sich in amerikanischem Zungenschlag ja auch sehr lustig anhört. Eine solche war den dreien vom fürsorglichen Catering zur Stärkung für den Auftritt beim Krefelder Jazzherbst kredenzt worden. Zu Recht, denn Peter Evans, Trompete, Tim Dahl am Bass und Schlagzeuger Mike Pride brauchten im Glasfoyer des Krefelder Theaters viel Energie – für nichts geringeres als den Sound zu „pulverisieren“. So will es der Bandname dieses neuen Trios aus der New Yorker Downtown-Szene.

Peter Evans, der spielbesessene, freigeistige Hochgeschwindigkeitstrompeter, dem immer der Schalk im Nacken zu sitzen scheint, ist in Europa kein Unbekannter mehr. Vor allem Peter Evans bisherige Band „Mostly other People do the killing“ gehörte über Jahre beim Moers-Festival zu den Publikumslieblingen mit einem postmodernen Postbop-Dekonstruktivismus. Entsprechend zuverlässig werden im gemütlichen Wohnzimmerflair des Krefelder Glasfoyers Erwartungshaltungen in bestem Sinne „pulverisiert“. Das neue Trio agiert viel unmittelbarer, un-konzeptioneller. Also direkter und freejazziger, wenn es ohne Pause in einem Fluss frei durchimprovisiert.

Verlass ist aber auch hier auf eins: Nämlich auf Peter Evans gleißendes, hyperaktives, bei aller mäandernder Freiheit zugleich einer aberwitzigen Logik folgenden Spiel auf Trompete und Taschentrompete. Skalen und rhythmische Muster machen sich gegenseitig die Überholspur streitig, zusätzlich angereichert durch Mike Prides omnipräsentes Trommelfeuer auf dem Drumset. Das wirklich aufregende „Epizentrum“ dieser Konstellation ist aber der Bassist Tim Dahl. Der „pulverisiert“ nicht nur, sondern erweitert sämtliche möglichen und unmöglichen Klangvorstellungen auf dem elektrischen Bass. Da beantworten vibrierende Mikrostrukturen die Trompeteneruptionen von Evans, ebenso wie sich ein brachialer Wall of Sound bis hin zu ungestümen Noise-Gewittern steigert. Unheimliche Glissandoeffekte setzten mitunter gespenstische Kontraste für regelrecht dadaistische Einlage der Trompete. Oft passiert alles gleichzeitig. Oder genau das Gegenteil davon.

Nach zwei langen Sets in konzentrierter Zuhör-Atmosphäre gab Tim Dahl seinen ZuhörerInnen noch ein augenzwinkerndes „Merry Christmas“ mit auf den Weg. Der Grund: Etwas „vorauseilend“ ziert Mitte November bereits ein Lichterbaum das Glasfoyer. Gut, wenn diese freigeistigen New Yorker Klangberserker nochmal dem bald wieder allseits verordneten Zuckerguss dezidiert radikale musikalische Statements entgegen schleuderten. Und die taugten definitiv nicht zum vorweihnachtlichen Mitsingen!

Egal ob mit oder ohne Lametta – das Glasfoyer in der Krefelder Innenstadt ist eine angenehme und auch akustisch sehr vorteilhafte Spielstätte. Sie hat dem Jazzclub Krefeld e.V. seit 10 Jahren einen deutlichen Publikumszuwachs beschert. Man hat hier eins erkannt: So sehr der legendäre Jazzkeller in Krefeld nach wie vor Kultfaktor genießt, so macht es sich zugleich bezahlt, den Jazz durch die Erschließung anderer Lokalitäten (man denke allein an das Sommerfestival auf der malerischen Burg Linn) aus dem „Kellerdasein“ heraus zu holen.

 

 

 

 

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