Boschs „Garten der Lüste“ darf man bei Mic Oechsners vielseitigem Werk, dem öffentlichen (Klang-)Garten „Giardino pubblico“, nicht erwarten. In diesem akustischen Garten des gebürtigen Münchners mischen sich vielmehr orchestrale Werke mit kammermusikalischen Episoden, fusionartige Klänge mit Modern-Jazz-Kompositionen und groovigem Quartettsound. Die insgesamt 24 Stücke sind entsprechend ihrer Entstehung in einem Zeitraum von fast einem Jahrzehnt sehr unterschiedlich und von Oechsner in einer Art Jahreszeitenzyklus zusammengestellt worden. Eine üppige Natur jazzt in klanglicher Großzügigkeit durch Frühling und Sommer. Stimmen, Geplänkel. Die Rhythmen verlangsamen sich – Herbst, Winter. Dann wieder Leichtigkeit, Flow, der Zyklus beginnt von Neuem. Wahre Gefühle in kleinen Klangsystemen, eingebettet in stimmige Kreisläufe. Da tanzen Geige und Cello (Clemens Samitzer) in entrückender Berauschtheit, „Clemic Emotions“. In der „Kleinen Hirschmusik“ mischen sich die entspannte Gesprächskulisse eines Frühstückstisches mit angedeuteten Brunftrufen, unbestimmten Keyboardsounds, Geige und Schlagzeug (Joe Resl).
In der „Scottish Fantasy“ werden die fusionartigen, trunkenen Melodien von folkigen Sackpfeifensounds und sehnsuchtsvollen Klanglandschaften abgelöst. Neue Horizonte öffnen sich auch mit somnambulen Walzermelodien auf dem Akkordeon, mit dem Oechsner ein heiter-seliges „Salute Italia“ im Mehrspurverfahren als Multiinstrumentalist anstimmt. Thematisch geht das auf zwei Cds publizierte Werk mit Reminiszenzen an Weggefährten und Vorbilder, einer Hommage an eine schottische Romanfigur und an die Münchner Jazzclubs der 1970er Jahren über die intendierte Verbeugung vor der Natur und dem Leben hinaus. Entstanden ist damit letztlich eine bunte Landschaft, die viel vom warmen Spiel und der ausgiebigen Solitätigkeit des Meisters lebt.
Für die Umsetzung einiger seiner Ideen holte sich Oechsner profilierte Musiker in sein Studio, das er in seiner Wahlheimat Niederösterreich betreibt. Darunter sind langjährige Bühnengefährten und befreundete Begleiter wie der Schlagzeuger Joe Resl, Bassist Alex Haas, der großartige Gitarrist Uli Graner, Clemens Sainitzer am Cello und Gidon Oechsner als weiteren Gitarristen. Mit ihren Stimmen brachten sich die Vokalistin Vesna Petkovic. Isabella Scherabon und Harriet Atwooki auf dem emotionsgeladenen Album ein. Hier blitzt die energiegeladene Fusionzeit der 80er Jahr ebenso auf, wie es mit melancholischen Stimmungen voller Intensität berührt. Manchmal wechseln die Sphären etwas abrupt, wenn nach einem beinahe schon sakral-innigen „November“ ein pathetisches „Return of the Emperor“ mit bombastischen Sounds inszeniert wird. Da „Giardino pubblico“ aber ein sehr persönliches Album ist, mit viel Herzblut und in Auseinandersetzung mit den eigenen künstlerischen Ideen entstanden, gibt auch das einen Einblick in den Formenreichtum und das Ausdrucksspektrum der Musikerpersönlichkeit Oechsners wieder, dessen Urur-Großvater (Michael Öchsner) die Bayernhymne verfasst hat.
Michael Scheiner
MIC OECHSNER, GIARDINO PUBBLICO, Mukhara World Sound 0021
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