Von Godehard Lutz. „Der Jazz ist eine unterschätzte Größe und bedarf mehr Förderung in unserem Land.“ So lautete das Bekenntnis von Professor Christian Höppner, dem Generalsekretär des Deutschen Musikrates und Vorsitzenden des Kuratoriums der Carl-Bechstein-Stiftung zum diesjährigen 5. Carl-Bechstein-Wettbewerb, der erstmals für junge Jazzpianisten stattfand. „Der Carl-Bechstein-Wettbewerb für Kinder und Jugendliche 2018 möchte Freude am Musizieren vermitteln, in Deutschland lebende junge Pianistinnen und Pianisten fördern und außergewöhnliche Leistungen belohnen.“ So stand es in der Ausschreibung.
Der „Kulturstall“ von Schloss Britz in Berlin-Neukölln bot am 3. und 4. November das entspannte und intime Ambiente mit ausgezeichneter Akustik für den diesjährigen Klavierwettbewerb, den die Carl-Bechstein-Stiftung seit 2013 dort veranstaltet. Im feinen, aber unerwartet kleinen Rahmen fand er am Samstag vor eine hochkarätigen Jury aus vier Jazzpianisten und einem Jazz-Journalisten (und leider wenig Publikum) statt. Während es bei den Klassik-Wettbewerben der letzten Jahre um die 60 Bewerber gab, meldeten sich heuer gerade einmal 16 junge Jazzpianisten an. Und das, obwohl Preisgelder von insgesamt 10.000 Euro ausgelobt waren. Gefordert waren von allen Teilnehmern Jazz-Kompositionen aus mindestens zwei verschiedenen musikalischen Stilen mit Improvisationsabschnitten. In den Altersgruppen 3 und 4 war außerdem je ein Pflichtstück vorgegeben: Über „Gone With The Wind“ mussten die 17- bis 18-jährigen, über „I Remember April“ die 19- bis 20-jährigen Teilnehmer improvisieren. In der Gruppe 4 musste zudem mindestens eine Eigenkomposition gespielt werden.
Unter der Leitung von Prof. Wolfgang Köhler, unter anderem Leiter des Fachbereichs Klavier am Jazzinstitut Berlin, diskutierten Hubert Nuss, Dozent für Jazzpiano an der HfMT Köln und der HfMDK Stuttgart, Benjamin Schaefer, Dozent für Jazzklavier an der HfMT Köln, Nicolai Thärichen, Dozent an Hochschulen in Berlin, Hannover, Weimar und Dresden, und Jazzautor Dr. Berthold Klostermann hart ihre Entscheidungen, die angesichts des hörbar großen Talents des Nachwuchses „auf hervorragendem Niveau“ nicht immer leicht fielen. Doch nach einem Klavier-Marathon von 10 bis 18 Uhr standen die Sieger in den vier Alterskategorien fest. 10 der Pianisten, im Alter von elf bis 19 Jahren, konnten sich beim Preisträgerkonzert am Sonntagnachmittag dann noch einmal mit einem von der Jury ausgewählten Stück präsentieren.
In der Gruppe bis 14 Jahren gewann den 1. Preis Adrian Surojit Müller aus Thüringen, den 2. Benedikt Jung aus Berlin und den 3. Marcel Lemmer aus Baden-Württemberg. In der Gruppe II der 15- bis 16-Jährigen hießen die Preisträger 1. Reinel Ardiles Lindemann aus NRW, 2. Emmanuel Walter aus MVP und 3. Jonathan Reitze aus Niedersachsen. Von den 17- bis 18-Jährigen überzeugten 1. Vincent Meißner aus Sachsen, 2. Lajos Milan Meinberg aus Schleswig-Holstein und 3. Valentin Gottlob aus Brandenburg. In der Gruppe 4 gab es keinen 1. Sieger; der 2. Preis ging an Moses Yoofee Vester, den 3. Preis teilten sich Konrad Bogen aus Berlin und Julius Schepansky aus NRW.
Der 16-jährige Reinel Ardiles Lindemann lieferte sehr souverän eine mitreißende und eigenständige Version von Michel Camilos „Caribe“ und in der besonders starken Gruppe III beeindruckten Vincent Meißner und Valentin Gottlob mit ihren Eigenkompositionen. Rund 7000 Euro Preisgeld konnten alle Preisträger zusammen neben einer Urkunde mit nach Hause nehmen.
Bei der Preisverleihung galt das Lob von Professor Köhler auch einem weiteren Teilnehmer, dem „facettenreichen“ großen C. Bechstein-Konzert-Flügel D 282, den die 16 Spieler immer wieder anders klingen ließen und der für die jungen Teilnehmer auch eine motivierende Herausforderung war.
Im Gespräch mit der nmz betonte Gregor Willmes, Vorstand der Carl-Bechstein-Stiftung, dass dieser erste Jazz-Wettbewerb ein „absolutes Risiko“ gewesen sei, „weil wir gar nicht wussten, wie es denn funktionieren wird“, da es im Jazz kaum Wettbewerbe für Kinder und Jugendliche gebe. „Ich war nicht ganz begeistert, dass wir nur 16 Anmeldungen hatten. Das war nicht das, was wir uns erhofft hatten. Aber mit der Qualität der Teilnehmer und des Wettbewerbs war ich sehr zufrieden, das Niveau war insgesamt sehr hoch. Teilnehmer, Eltern und Jury waren alle ganz glücklich und das freut uns natürlich sehr.“ Sehr schade war, dass sich kein einziges Mädchen angemeldet hatte, verwunderlich, dass die südlichen Bundesländer nur schwach vertreten waren, Bayern zum Beispiel gar nicht.
Es scheint nicht ganz unwahrscheinlich, dass es wieder einmal einen Carl-Bechstein-Wettbewerb für Jazz geben wird, vielleicht dann für Klavier-Trios und hoffentlich mit größerer Resonanz. Der nächste Wettbewerb „Klavier solo“ vom 1. bis. 3. November 2019 allerdings ist wieder der Klassik gewidmet. Weitere Informationen unter www.carl-bechstein-stiftung.de