Was für ein Treibauf! Oder auch Antreiber, das kommt – wie immer – auf die Perspektive an. Adam Nussbaum, Schlagzeuger im Quartett mit Rüdiger Eisenhauer, Gitarre, Mark Soskin am Flügel und Bassmann Jay Anderson, hatte beim Konzert im Degginger auf jeden Fall die Hosen an. Lustvoll trieb er seine Mitspieler mit harten Schlägen vor sich her, gab Gas und bremste im nächsten Moment wieder ein. Bei dunklen Bluesballaden schien er die Luft anzuhalten, so dass von seinem hingetupften Spiel kaum mehr etwas zu hören war. Dann wieder drehte er auf und eilte auch mal Zehntelsekunden voraus. Daneben riss er Witze, versuchte auch das unschlüssige Publikum zu animieren, aus sich herauszugehen, und vollführte solistisch regelrechte Tänze auf Becken und Fellen.
Der 60-Jährige, der eine Stunde außerhalb des Big Apple in ländlicher Umgebung lebt, gehört seit Jahrzehnten zu den bestbeschäftigten Schlagzeugern in New Yorks Jazzszene. Er ist auf vielen Alben des im letzten Jahr verstorbenen Gitarristen John Abercrombie zu hören, spielte mit Sheila Jordan, Steve Swallow, Stan Getz und der Bigband von Carla Bley. Zudem war Nussbaum Mitglied im Quintett von Dave Liebman und unterrichtet heute an Universitäten und gibt weltweit Meisterklassen. Auch bei den anderen beiden Amerikanern im Quartett, die zusammen auch ein eigenes Trio bilden, ließe sich jeweils eine lange Liste von Credits und musikalischen Kooperationen mit klangvollen Namen weit über die Grenzen des Jazz hinaus anführen. So arbeitete Anderson unter anderem mit Tom Waits, Chaka Khan und Frank Zappa, der auch als Keyboarder tätige Soskin mit Billy Cobham, Bobbie McFerrin, Astrud Gilberto und Gato Barbieri. Er war es auch, der mit einigen Stücken eine wunderbar leichte und federnde lateinamerikanische Färbung in das von Fans ebenso wie zufällig hereingeschneiten Gästen besuchte Konzert brachte.
Eisenhauer, der in diesem illustren Kreis eine gute Figur machte und mit teils fulminanten Soli überzeugte, hat bereits früher mit Soskin zusammengearbeitet und Touren unternommen. Die beiden harmonieren auch erstklassig zusammen, legten mehrfach superexakte, schnelle Unisono-Läufe hin, bei denen nicht wenige Zuhörer die Luft anhielten. Mit prägnanten Solobeiträgen sorgten sie wechselweise dafür, dass der Konzertabend ein spannendes und unterhaltsames Erlebnis mit viel Abwechslung wurde. Als Eisenhauer, ein stilistischer Eklektiker, der mal wie Wes Montgomery, Bill Frisell oder Pat Metheny klingt, ohne je wie ein Kopist zu erscheinen, an einer Stelle patzte, zeigte sich die Souveränität dieser großartigen Band. Ohne mit der Wimper zu zucken trieben die drei Amerikaner, die auch optisch als Glatzköpfe ein auffällig homogenes Bild abgaben, das Thema weiter und warteten bis Eisenhauer wieder einstieg. Neben eigenen Kompositionen, die alle vier beisteuerten, überraschte das höchst vitale Quartett auch mit einem pathetischen Titel von Todd Rundgrens famosen Album „A Capella“ und eigens arrangierten Standards wie „Body and Soul“ und Rodgers and Harts Klassiker „Have You Met Miss Jones“ in einer wunderbar beschwingten Version.
Von Michael Scheiner
Info: Rüdiger Eisenhauer– g / Mark Soskin – keys / Jay Anderson – b / Adam Nussbaum – dr