Lokalmatadore und Weltklasse: „Jazz an einem Sommerabend“ ist ein Ort der Begegnung

Der Jazzclub Krefeld hat vier Jahrzehnte einiges richtig gemacht, wenn es um kulturelle Nachhaltigkeit und überregionale Ausstrahlung geht. Und so hat auch das leidenschafliche Engagement vieler Ehrenamtlicher das große Festival auf der malerischen Burg Linn zu dem werden lassen, was es ist: „Jazz an einem Sommerabend“ ist ein wirkliches „Jazz-Fest“, ein Ort der Begegnung. Das heißt auch, dass man hier nicht von einem Überangebot erschlagen wird. Auch können die Bands nach Herzenslust lange Sets inclusive Zugaben spielen. Die Programmauswahl bildet die Pluralität im Jazz ab: Es gibt die Lokalmatadoren, welche zum Gepräge einer Stadtkultur beitragen, es werden hoffnungsvolle europäische Newcomer-Formation präsentiert – und es gibt die Sternstunden, in denen Weltklasse zu erleben ist!

Genau diese Ausgewogenheit stellte auch in diesem Jahr der künstlerische Leiter Florian Funke sicher. Auch die fünf Musiker vom „Horst Hansen Trio“ gehen aus dem Umfeld des Krefelder Jazzclubs hervor. Richtig verstanden: Fünfköpfige Trios dürften in der Jazzwelt Seltenheitswert beanspruchen – ein solcher Bandname deutet auf viel Humor bei der eigenen Sache hin, und der stieß auch bei den Anmoderationen vorm Krefelder Publikum auf fruchtbaren Boden. Aber Lukas Weber (Saxofon), Tobias Foller (Eckbert), Carsten Hackler (Piano), Till Menzer (Schlagzeug) und Lars Leibl (Bass) arbeiten sich auch mit profundem Ernst an ihren Instrumenten ab – das zeigte ihr Auftritt zur Eröffnung des Festivals. Ihre Sache ist ein durchaus bodenständiger Fusionjazz mit starken, gut bühnentauglichen Rockeinflüssen, genährt von schwelgerischen Melodienbögen und himmelsstürmenden Soli. Zu ihrer musikalischen Sozialisation gefragt, stellten sie im Gespräch klar: „Unsere wichtigste Schule ist das jahrelange Zusammenspiel im Probenraum, ebenso hat uns die Straßenmusik erheblich weitergebracht, um für ein Publikum Musik zu machen.“ Das Studium, was sie heute unter anderem in Köln aufnehmen, ist da nur eine logische Weiterentwicklung.

Der mittlere Programmpunkt auf dem Krefelder Sommerabend geht immer mit der „blauen Stunde“ einher und ist daher atmosphärisch etwas ganz Besonderes. Diesmal kam es zu einer wahren Sternstunde der Versenkung: Anders kann man nicht umschreiben, was die japanische Pianistin Makiku Hirabayashi, die legendäre Schlagzeugerin Marylin Mazur und ihr Lebensgefährte am Bass Klavs Hovmann freisetzten. Zeitlos lyrische, manchmal kammermusikalische Jazzideome werden unter den sensiblen Händen der drei zu viel mehr als solchen, stoßen in höhere Sphären der Empfindung vor. Makiku Hirabayashi intoniert sensible, manchmal romantisch fragile Melodiebögen, verdichtet diese improvisatorisch, so dass es jede Nervenzelle berührt. Marilyn Mazurs Trommelkunst folgt alldem mit viel intuitivem Gespür, faszinierend überdies, wie sie sich auf ihren vielen Becken manchmal direkt in die melodische Linie des Klaviers einklinkt.

Zum Finale des Sommerabends in Krefeld räumte die polnische E-Bassistin Kinga Glyk mit allen üblichen Bassisten-Rollenklischees auf. Der Bass ist in ihrer Band nicht länger die unauffällige, notwendige Eminenz im Hintergrund. Denn dafür explodiert viel zu viel Spielfreude unter den Händen der 21-Jährigen und wird der E-Bass zum omnipotenten solistischen Werkzeug, um jede Bühne zu rocken. Von kleinauf war sie von der Saitenakrobatik eines Jaco Pastorius infiziert – davon angetrieben, hat Kinga Glyk längst alle spieltechnischen Hausaufgaben gemacht! Sie ließ es in Krefeld daher erwartungsgemäß krachen und grooven – liebend gerne auf Basis von heißen Fusionfunk-Stilistiken aus den 1970ern und 80ern. Befeuert wurde ihr Spiel von ihrem Vater Irek Glyk am Schlagzeug sowie von Keyboarder Rafal Stepien. Wünschen kann man Kinga Glyk, künftig noch mehr eine eigenständige künstlerische Stimme auszubilden, vor allem kompositorisch. In dieser Hinsicht schlägt sie aber schon jetzt vielversprechende Wege ein: Vor allem wenn sie, im Schneidersitz auf dem Boden sitzend, ihren E-Bass in gefühlvollen Balladen singen lässt.

Text & Fotos: Stefan Pieper

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