Grooves aus Röntgenbildern und Poesie: Rim Bannas letztes Werk

Zwei Tage vor seinem Tod ist David Bowies Album „Blackstar“ erschienen. Es wurde als finale Inszenierung des Mannes „der vom Himmel fiel“ empfunden, der selbst zum Kunstwerk geworden war, als sein künstlerisches Vermächtnis. Die heuer im März verstorbene Sängerin Rim Banna hat die Veröffentlichung ihres letzten Albums nicht mehr erlebt. Wie der Popstar hat die 51-jährige Musikerin bis zuletzt an ihren Texten und der Musik gearbeitet. Sie hat sich ihre künstlerische Integrität bewahrt und die Fäden in der Hand behalten. „Voice of Resistance“ ist somit ebenfalls zum Vermächtnis geworden, ein kraftvolles und trotziges Zeichen sich angesichts eines vorhersehbaren Todes nicht unterkriegen zu lassen. Zugleich ist es aber auch ein phänomenales musikalisches Statement. Auf höchst vitale und faszinierende Weise verbindet es elektronische Sounds und komplexe Beats mit akustischem Pianojazz, Poesie und „Datensonifikation“ zu mitreißenden clubtauglichen Grooves.

Der Widerstand, die „Resistance“, geht bei diesem letzten Album weit über eine politische Haltung hinaus, wie sie lebenslang zu der Aktivistin gehört hat. 2009 war bei Rim Banna eine Krebserkrankung diagnostiziert worden. Sechs Jahre später setzte eine langsame Lähmung der Stimmbänder ein, da arbeitete sie gerade an ihrem 13. Album „Revelation of Ecstacy and Rebellion“, das sie mit arabischen Musikern und dem norwegischen Pianisten Bugge Wesseltoft aufnahm, der es auch produzierte. Nachdem ihr die Ärzte sagten, dass sie nicht mehr singen könne, traf sie sich in Oslo dennoch mit Erik Hillestad, der sie für Europa entdeckt hatte, und dem tunesischen Soundcutter „SC MoCha“ vom elektronischen Kollektiv Checkpoint 303. Zusammen entwickelten sie die Idee für das jetzt vorliegende Album.

Es sollte auf den medizinischen Daten ihrer eigenen Röntgen- und Tomographie-Bilder basieren, die Checkpoint 303 in Töne umzuwandeln gedachten. Über diesen experimentellen Klängen begann Rim Banna ihre eigenen Gedichte zu rezitieren, in denen sie ihren Widerstand und ihren Kampf mit der Krankheit beschreibt. Es sind bewegende und störrische, aufmüpfige und zärtliche Texte. Eine wunderbare lyrische Poesie, die sich auch in der englischen Übersetzung erschließt, die im Booklet neben den arabischen Originaltexten abgedruckt ist. „Meine Stimme spritzt aus meinen Poren“, heißt es im knispelten Rauschen von „My Songs will sound from the Squares“, „und wenn meine Poren verschlossen sind / kommt meine Stimme aus dem Handgelenk / Und wenn meine Hand abgetrennt ist / ist der Gesang meines Herzens meine Stimme (…)“. Für die Aufnahmen konnte auch wieder Bugge Wesseltoft gewonnen werden. Seine kantigen Improvisationen und warmherzigen Melodien schaffen einen reizvollen Kontrast zu den experimentellen Sounds von Checkpoint 303. Gleichzeitig bilden sie eine traumhafte Symbiose mit den pulsierenden Grooves. So ist ein ungewöhnliches Album entstanden, welches trotz des ernsten Hintergrunds weder traurig noch melancholisch daherkommt.

Die in Nazareth geborene und verstorbene Songschreiberin war die populärste palästinensische Sängerin ihrer Generation. Neben eigenen Songs, die sich häufig um Leben und Leiden des palästinensischen Volkes drehten, begann sie in den 90er Jahren eigene Versionen traditioneller Kinderlieder zu singen und diese damit vor dem Vergessen zu bewahren.

 

Infos: Rim Banna: Voice of Resistance, ca. 14,99 Euro, CD und Streaming Formate, Kirkelig Kulturverksted / Indigo Vertrieb

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