Neulich noch markte ich an, dass bei all dem Trubel um die letzte Echo-Verleihung aus dem Jazz-Bereich kaum Reaktionen zu vermelden waren. Weder in positiver noch in negativer Hinsicht. Es war einfach ruhig. Kaum jemand pflegte sich in Position zu spielen. Schon gar nicht aus dem Kreis derjenigen, die diesen „Preis“ erhalten haben. Das hat sich jetzt geändert. Markus Stockhausen (und andere aktuelle 2018-Preisträger) lancierte über der Facebook-Seite eine Pressemitteilung.
„Uns eint die Freude über den Erhalt des ECHO Jazz-Preises, der aufgrund einer differenzierten Juryentscheidung allein für künstlerische Inhalte vergeben wurde. Wir alle bedauern, dass der ECHO Jazz-Preis durch die Erschütterungen des ECHO Pop in Mitleidenschaft gezogen und nun zum letzten Mal vergeben wurde.“
Schön wäre es, wäre es so. Klar, man kann schon hoffen, dass der Preis für künstlerische Inhalte vergeben wird und nicht für, ja, für was denn sonst als für künstlerische Inhalte. Die Preisvergabe zeigt ganz offen an, dass die Nischenmusik, nähme man die Juryentscheidungen ernst, noch viel nischiger ist als gedacht. Anders ist nicht zu erklären, dass immer wieder viele identische Musiker und gelegentlich auch Musikerinnnen ausgezeichnet werden. Denn die wirklich richtig Allerbesten können nur wenige sein. Die Championsleague des Jazz eben, die Crème de la Crème, die oberen 20 33 eben.
Beispiele (Zahlen in Klammern geben die Anzahl der Preisvergaben an – die Mehrfachpreisträger siehe hier komplett):
- Ensemble des Jahres (national): Tingvall Trio, em, Michael Wollny Trio (2)
- Instrumentalist/in des Jahres national – Bass/Bassgitarre: Dieter Ilg (3), Eva Kruse (2), Sebastian Gramss (2).
- Instrumentalist/in des Jahres international – Bass/Bassgitarre: Lars Danielsson (3), Renaud Garcia-Fons (2).
- Instrumentalist/in des Jahres national – Drums/Percussion: Wolfgang Haffner (2), Eric Schaefer (2).
- Instrumentalist/in des Jahres – sonstige Instrumente: Vincent Peirani (3)
- Live-Act des Jahres: Quadro Nuevo (2)
- Label des Jahres: ACT (4) – Man hat auf die Vergabe dieser Auszeichnung seit 2014 verzichtet.
- Schaut man mal so kreuz und quer, dann taucht Michael Wollny allein sieben mal in der Liste der Preisträger auf.
Dabei gibt es den ECHO Jazz gerade mal seit 2010. Und abgeschafft worden ist der doch gar nicht worden. Er wird angeblich neu konstruiert. Die Marke ist weg und da. Der Bundesverband Musikindustrie spricht von einem Neuanfang.
„Musik ist ein wundervolles Medium. Sie dazu zu nutzen, um diskriminierende Inhalte zu verbreiten, verurteilen wir klar. Als Jazzmusiker vertreten wir eine Musikform, die Weltoffenheit, Toleranz und Völkerverständigung zum Ausdruck bringt, die eine hohe integrative Kraft hat.“
Das ist der Gedanke natürlich Mutter des Wunsches, dass es so sein soll. Dieses „Wir sind eine große glückliche Familie und Welt“-Muster. Darauf kann man einsteigen. Wenn nicht irgendwo, dann doch in dieser Nischenmusik. Ergänzen müsste man aber in der Anreihung edler Motive noch, und wir lieben den Wettbewerb.
„Inhaltlich ist die Entscheidung des Bundesverbandes der Musikindustrie nachvollziehbar, formal ist aber durch die Absage nun auch der ECHO-Jazzpreisverleihung eine eigenartige Situation entstanden. Denn ein zentraler Aspekt des undotierten Preises, nämlich eine positive Öffentlichkeitswirkung, entfällt dadurch.“
Wirklich? Schaut man auf die Preisverleihung des letzten Jahres zurück mit dem Trubel um den Film zu Anna Lena Schnabel, dürfte diese Sichtweise schon etwas Verwunderung hervorrufen. Wahrscheinlich gilt es heute wohl einfach als „positive“ Wirkung, wenn man „im Fernsehen“ ist. Aber stimmt es überhaupt, dass mit diesem Preis eine erhöhte Öffentlichkeitswirkung verbunden ist? Untersuchungen, die belastbar wären, gibt es dazu soweit ich weiß keine einzige – weder in der einen noch der anderen Richtung.
Überhaupt der Fetisch „Öffentlichkeitswirkung“. Die kann man auf die eine oder andere Weise erreichen. Sie ist doch kein Selbstzweck. Was wäre denn also wirklich eine positive Öffentlichkeitswirkung. Für wen oder was sollte das sein?
Promotion! Steigerung der Absatzzahlen
Die Musikwoche widmet dem Thema auch ein paar Zeilen. Die sind sehr präzise, greift man doch den Eklat um die letztjährige Verleihung auf. Da ist man immerhin ehrlich und sagt, was Sache ist: Der Promotioneffekt! Den „hatte selbst die kritische Auseinandersetzung einer 3sat-Dokumentation über die Saxophonistin Anna-Lena Schnabel bestätigt, in der neben Zensurvorwürfen auch deutlich gestiegene Absatzzahlen angesprochen wurden.“ Darum geht es doch hinter dem ganzen Geschwurbel, das sich hinter „Qualität“ und „positiver Öffentlichkeitswirkung“ versteckt.
„Zudem wäre eine persönliche Übergabe der Preise nicht nur schöner, sondern vor allem uns Musikern gegenüber auch respektvoller gewesen.“
Heult doch! Es geht also gar nicht um den Preis, sondern um die Befriedigung einer gewissen Eitelkeit, wie es scheint: Hauptsache man ist „im Fernsehen“. Ginge es wirklich um die Sache, die Musik, den Jazz whatever, würden dahinter derlei klamme Gedanken zerplatzen. Wie viele Preise haben denn beispielsweise Duke Ellington, Albert Ayler oder Lester Bowie erhalten? Mal so im Vergleich zu Klaus Doldinger oder Michael Wollny? Ist auch nicht so wichtig.
„Bleibt zu hoffen, dass ein neuer, zukünftiger Preis in allen Sparten, Pop, Klassik und Jazz, eine Auszeichnung wird, die ganz bewusst die Qualität und Inhalte der Musik hervorhebt und so unanfechtbar wird.“
Gerne! Genau deshalb benötigt man eben den ECHO nicht. Weder im Pop, im Jazz noch in der Klassik. Preise, die eher auf „Qualität“ setzen, die gibt es ja tatsächlich. Aber wann oder wo sind sie öffentlichkeitswirksam?
„Unterzeichnet am 21. Mai 2018 von Charlotte Greve, Céline Rudolph, Sebastian Sternal, Sebastian Gramss, Hanno Busch, Lukas Bamesreiter, Richard Friedrich Schwartz, Markus Stockhausen“
Was für ein Pech. Da bekommen die Unterzeichnenden in diesem Jahr also den ECHO Jazz und können sich nicht mal freuen, weil die positive Öffentlichkeitswirkung nicht im Paket beiliegt. Weil, wenn schon undotiert, dann bitte auf dem Weg der Umwegrentabilität. Das ist eben auch das Bild von Jazz, was man in die Öffentlichkeit trägt. Geschäft ist Geschäft. Kommt damit klar! Das ist der ECHO Jazz, das war der ECHO Jazz – lasset ihn ruhen in seinem Grab. Bereitet ihm einen respektvollen letzten Gruß. Der ECHO ist tot, …
… es lebe der Nachhall im Jazz-Walhall. Geplant ist eine Crowdfunding-Aktion zur Spende einer Kiste von vierlagigen Taschentüchern aus Recycling-Tränenfängern der letzten Echo-Veranstaltung an die so schmählich enttäuschten Künstlerinnen.
Alternativen zum ECHO gibt es einige. Zum Beispiel den Preis der Deutschen Schallplattenkritik. Da sehen die Preisträger folgendermaßen aus, Überschneidungen dürften rückblickend eine Seltenheit sein.
2018/02
- Ron Halldorson: Happy Talk. Ron Halldorson RHHT2017 (Eigenvertrieb)
- David Murray feat. Saul Williams: blues for memo. Motéma MTM 256 (Rough Trade)
2018/01
- New Old Luten Quintet: Letzter Rabatz! Ernst-Ludwig Petrowsky, Elan Pauer, John Edwards, Robert Landfermann, Christian Lillinger. Euphorium Records EUPH 057
2017/04
- Cleo: Let Them Talk. Luley Music Records LMR 02017 (www.janluley.de)
- Silke Eberhard Trio: The Being Inn. Intakt CD 280 (harmonia mundi)
2017/03
- Benny Green: Happiness! Live at Kuumbwa. Sunnyside SSC1485 (Delta Music)
- Bill Frisell, Thomas Morgan: Small Town. ECM 2525 (Universal)
In der Jury sitzen: Christian Broecking, Peter Kemper, Hans Jürgen Linke, Bert Noglik, Ulrich Olshausen (modern, zeitgenössisch) und Lothar Jänichen, Herbert Lindenberger, Rainer Nolden, Werner Stiefele, Marcus A. Woelfle (traditionell und Mainstream). Aber da werden natürlich auch nicht Einzelkünstler herausgehoben.
Ein bitterböser Nachruf auf den Jazz-ECHO. Und ein bisschen Promotion für den besseren Schallplattenpreis .
Duke Ellington hat 8 Grammys, den Pulitzerpreis und weitere gewonnen ;)
Das glaube ich gerne. War ein schlechtes Beispiel. Ein ganz schlechtes Beispiel. Dumm von mir.
Gut, dass Sie an den Skandal erinnerten, den Anna Lena Schnabel erleben musste. Zur Erinnerung: Am Tag vor der Echo-Jazz-Verleihung kam eine NDR-TV-Redakteurin zu Schnabel und „verbot“ ihr praktisch den Song während der Veranstaltung zu spielen, den Schnabel ausgesucht hatte. Der Song sei zu schräg, das könne man den Zuschauern (im Saal und später im TV) nicht zumuten. Ich weine dem Echo nicht nach, ich kann mich der oben geäußerten Meinung anschließen, der „Preis der deutschen Schallplattenkritik“ ist mir immer eine zuverlässige Quelle gewesen. Besonders geärgert haben mich die laufenden Auszeichnungen von Till Brönner beim Echo und auch bei anderen Veranstaltungen. Brönner ist ein guter Verkäufer seines „Seicht-Jazz“, und das war es. Brönner ist langweilig bis zum geht nicht mehr, aber er verkauft viele Alben. Zudem ist er der Liebling bei den TV-Sendern, da kompatibel und deshalb das Gegenteil von Anna Lena Schnabel. Das kann aber doch nicht die relevante Kritik für Preise sein!