„Humans in tiny lower case“, Menschen in winzigen Verhältnissen, ist ein bissig-vergnügter Song mit nachdenklich stimmendem Kern. Die menschliche Hybris und Beschränktheit gegenüber der Größe des Universum sollte „uns kleine dummen Menschen“ etwas bescheidener machen, singen die „Tiptons“ bei ihrem Auftritt im Leeren Beutel. Die vier Musikerinnen widmen den Song ganz explizit ihrem eigenen, „dem amerikanischen Präsidenten“. Es ist nicht die einzige – musikalische – Frechheit, die das singende und blasende Saxophonquartett mit lustvollem Vergnügen und hinreißender Leidenschaft aus dem Hut eines zehn CDs umfassendes Œuvres zieht.
Neben engagierten Songs, in denen sie mit Witz und Scharfsinn Stellung beziehen, stecken darin Walzer und Reggaerhythmen. Aber auch überschäumende italienische Melodik und knackiges, vierstimmiges Jazzgebläse, leichtfüßige Latinstücke, Soulfunk und handfester Blues beinhaltet ihre Musik. Vervollständigt wird die Band durch den österreichischen Schlagzeuger Robert Kainer, der es lächelnd aushält, wenn er als Quotenmann bezeichnet wird. Beim ersten Jazzclub-Konzert vor einem Vierteljahrhundert war noch ein anderer Drummer mit dabei. Damals nannten sich die Saxophonistinnen, die sich an ihr Regensburgdebüt gut erinnern konnten, noch „The Billy Tipton Memorial Saxophone Quartet“ nach einer Musikerin, die in den 40er Jahren nur als Mann verkleidet in einem Orchester spielen konnte. So gesehen, ist es vom Jazzclub ein gelungener Coup gewesen die Band am Internationalen Frauentag einzuladen. Warum dann allerdings mit diesem Pfund nicht gezielt für das fabelhafte Konzert geworben worden ist, bleibt völlig unverständlich. Vermutlich hätte es weit mehr frauenbewegte Zuhörerinnen – und auch mehr Männer – zum Tanzen und Mitsingen gebracht. Vielleicht sollte der Club einmal seine Marketingstrategie überprüfen, wie über den Kreis der angestammten Jazzfans hinaus auch andere Gruppen besser angesprochen werden können.
Bei den „Tiptons“, um auf deren so vergnüglichen wie musikalisch mitreißenden Auftritt zurückzukommen, sind aber auch die gut im Saal verteilten Zuhörer voll auf ihre Kosten gekommen. Zwischen zwei- und vierstimmigem Spiel mit Kreuzrhythmik und schönen, teils schlichten Melodien, zwischen kräftig treibenden Grooves und motorisch repetierten Motiven entfalten sie gut gelaunt und künstlerisch aufrichtig ein stilistisches Spektrum, das sich gewaschen hat. Bei aller Neigung, sich nie zu ernst und wichtig zu nehmen, glänzen Bandgründerin Amy Denio (as), die expressive Sue Orfield (ts), Tina Richardson (bars) und die quirlige Jessica Lurie an drei verschiedenen Saxophonen auch solistisch in eindrucksvoller und bewegender Weise. Am ehesten sind die „Tiptons“ und ihr Drummer noch mit den dahin gegangenen „Negerländern“ vergleichbar, die auf ähnlicher Weise musikalische Ausdruckskraft mit Witz und leidenschaftlicher Freude am Vergnügen zu verbinden wussten. Mehr davon, kann man dem Club zurufen, möglichst mit besserer Vermarktung.
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