Bluesgetränkt und frei im Geist – „A Love Electric“ im Leeren Beutel in Regensburg

Oldfashioned, altmodisch, ist der erste Gedanke beim klassischen Rocktrio-Lineup von „A Love Electric“. Auch die ersten Takte der Mixed-American-Band im Leeren Beutel scheinen diesen Eindruck zu bestätigen. Bluesgetränkt baut sich eine leicht schattige, von Todd Clousers lässigem Spiel auf der E-Gitarre befeuerte Spannung auf. Aber nicht nur die bis in die Augen gezogene Wollmütze des aus Argentinien stammenden Drummers Hernan Hecht und die Loops, die Bassist Aaron Cruz mit der Mundharmonika unter sein filigranes Spiel legt, stellen sich dem Schablonendenken grinsend in den Weg. Mit jedem Song den Clouser anstimmt wird deutlicher, dass die musikalischen Wurzeln der Band zwar im Blues, Rock, Jazz und Soul liegen. Rückwärts gewandt allerdings ist dieses großartige Trio ganz und garnicht, im Unterschied zu vielen faden Retro-Bands. Die gleichberechtigt auftretenden Musiker machen keinen Hehl daraus, wo ihre popgeschichtlichen Referenzpunkte verankert sind. Da klingt Curtis Mayfield, dem sogar ein Song auf einem ihrer Alben gewidmet ist, ebenso an, wie der künstlerische Gestus Tom Waits‘ oder Edgar Winters Vielfalt. Weit im Hintergrund scheinen hie und da die „Doors“ und die „Electric Prunes“ mit ihren psychedelischen Sounds auf. In den verkanteten Rhythmen und verqueren Harmonien steckt aber ebenso etwas von Thelonious Monk und dem Geist des Freejazz. Dieser entlädt sich nach der Pause einmal regelrecht in einer dichten, aufquellenden völlig freien Improvisation regelrecht, nur um in einen sanften Blues hinüber zu gleiten, wie um die aufgewühlten Seelen und Hörnerven der Zuhörer zu besänftigen. Mit von der Partie ist dabei auch der sonst auffällig zurückhaltende „special guest“, der sehr gezielt akzentuierende Keyboardspieler Jo Aldinger, der die Band zum Quartett erweitert.

Für den Jazzclub ist dieser rockige, offene Sound eher ein seltenes Phänomen, aber durchaus der angemessene Ort. Die starke körperliche Komponente dieser mal mystisch schwebenden, mal kraftvoll stampfenden energievollen Musik kommt vor allem auch in den Spielhaltungen der Musiker deutlich zum Vorschein. Clouser steht keine Sekunde still, biegt sich nach hinten, kippt nach vorne oder zur Seite, wippt, nimmt Anlauf und schaut immer wieder weit hinaus zu den Sternen. In seinem Gesicht findet jedes seiner meist kurzen Soli seinen Widerschein. Ähnliches ist bei den anderen zu beobachten, die Musik geht durch sie hindurch. Viele Songs sind instrumental und gehen nicht selten  einfallsreich gestaltet ineinander über. Bei den Songs mit Lyrics verhindern eine anfänglich unausgewogene Abmischung und ein tierischer Slang, der sicher Clousers Herkunft aus dem mittleren Westen der USA in Minneapolis geschuldet ist, dass man viel verstehen konnte. Erst beim Nachhören auf Tonträger wird das sozial- und gesellschaftskritische, oft sarkastische Potential von Songs wie „White Jesus“ oder „Telemasque“ deutlich und nachvollziehbar. Das Trio, das sich als Kollektiv versteht und häufig Themen zusammen entwickelt, lebt in Mexiko City, dem Geburtsort von Bassmann Cruz. Wie Schlagzeuger Hecht, dessen dynamisch und klanglich enorm vielgestaltiges und ausdifferenziertes Spiel von seltener Qualität ist, ist auch Cruz ein exzellenter und ausdrucksstarker Musiker. Etwas weniger durchhörbar ist Gastmusiker Aldinger, der coole Akzente beim Auftritt im Leeren Beutel setzt, aber nicht ganz in der Band integriert ist. Dennoch – „A Love Electric“ ist eine tolle Entdeckung, die sich ein großer Teil des rührigen Regensburger Musikkult- und jüngere Publikum hat entgehen lassen.

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