„Echte Lieder aus dem Leben“: Monika Roscher mit ihrer 17-köpfigen Band im Regensburger Jazzclub Leerer Beutel
Das knapp zehnjährige Mädel in der ersten Reihe konnte kaum seinen Blick von der lebhaften Musikerin auf der dicht besetzten Bühne im Leeren Beutel wenden. Weit vorn auf dem Stuhl sitzend, schlenkerte sie mit den Beinen im Takt des mächtigen Bigband-Sounds, ihre Finger gingen mit, wenn Monika Roscher mit entschiedenen Armbewegungen den Einsatz der verschiedenen Bläsersections dirigierte. Oft hatte die Bandleaderin dabei noch ihre E-Gitarre, eine Fender Stratocaster, um den Hals hängen, weil zwischen ihren verschiedenen Aufgaben – sie singt auch noch – zu wenig Zeit gewesen ist, das Instrument in den Ständer zu stellen.
Auch in diesem Jahr gastierte Roscher mit ihrem „Artrockpopelektrokollektiv in Big-Band-Gestalt“ – so die Selbstbezeichnung – im Leeren Beutel. Traditionell spielt am zweiten Weihnachtsfeiertag eine Großformation beim Jazzclub und bringt die trägen Jazz- und sonstigen Fans wieder richtig in Schwung. Das gelang der in München lebenden Mittelfränkin so gut, dass das hellauf begeistert Publikum im voll besetzten Saal sprichwörtlich Kopf stand. Mehr als eine Zugabe, die auch noch ganz pragmatisch „The End“ hieß, war trotzdem nicht drin. Etliche Musiker des 17-köpfigen Kollektivs packten gleich danach ihre Instrumente in die Koffer und fuhren zurück nach München, auch um Übernachtungskosten zu sparen. Im Unterschied zu Jim Morrisons hochdramatisches „The End“ von „The Doors“, konstatiert Roscher völlig trocken „our time has passed (…) our plane has crashed“, unsere Zeit ist vorbei, das Flugzeug ist abgestürzt. So hört sich das kurz angebundene Stück dann auch an, lapidar, knackig und nicht unbedingt hoffnungsvoll.
So direkt und klar wie in der Zugabe sind eigentlich alle Songs von Roscher. Sie schreibt fast alle Stücke selbst, zum Teil mit Mitgliedern der Band zusammen. In ihrem Liebeslied „When I Fall in Love“, das nichts mit dem Jazzstandard zu tun hat, geht es „nicht um kitschiges Gesäusel, sondern das ist ein echtes Liebeslied“, verrät die Komponistin, „wie aus dem Leben.“ Musikalisch spielt sich dieses Liebesdrama zwischen Bass (Alex Bayer), Klavier (Josef Ressle) und der mal zarten, mal rauen Gitarre Roschers ab. Erst am Schluss setzt noch einmal das ganze Orchester ein und lässt eine sehnsuchtsvolle Stimmung erklingen.
Ob diese, „meine Musik jetzt Jazz oder Rock oder ganz als etwas anderes bezeichnet wird, ist mir egal“, beschreibt die toughe Musikerin ihre Haltung, „das können dann die Journalisten machen“. In ihrer Bühnenshow, die sie heuer immerhin auch in die Elbphilharmonie geführt hat, geht sie sogar noch weiter. Beim „Starlight Night Crash“, in dem sie mit Geräuschen, wuchtigen Klangwolken, rhythmischen Verschiebungen und brachialem Tuttispiel arbeitet, schlüpft sie in einen elektrisch verkabelten Anzug mit Leuchtbändern und –dioden. Zu den Sounds führt sie dann einen Art Tanz auf der völlig abgedunkelten Bühne auf. Was wie eine eigensinnige Weiterentwicklung der kosmisch-spirituellen Idee des amerikanischen Bandleaders Sun Ra mit seinem Orkestra wirkt, ist für Roscher eine völlig logische Erweiterung ihrer musikalischen Botschaft. „Ich möchte verschmelzen mit meinem Lied, möchte Teil werden von dem ganzen Gefüge.“ Wenn sie den Anzug anziehe, den Bandmitglied Hannes Dieterle als Abschlussarbeit seines Studiums in einjähriger Arbeit entwickelt hat, habe sie das „Gefühl, bin ich mehr in der Musik drinnen“. Ihr Ziel dabei ist, dass die Zuhörer auf diese Weise auch tiefer in die Songs einsteigen und „besser verstehen können, was ich damit sagen will“.
Das scheint tatsächlich auch zu funktionieren. Wenn man erlebt, wie begeistert das Publikum nicht erst am Schluss, sondern schon während des Konzertes auf viele Songs mit Bravorufen, Pfeifen und anhaltendem Beifall reagiert, kann man nur staunen. „Es ist einfach unglaublich, was die macht“, kommentierte ein Regensburger Festivalveranstalter Alter Musik enthusiastisch „die ist wirklich ein Ausnahmetalent. Fantastisch – vorher habe ich das nicht so recht geglaubt, als ich es verschiedentlich gehört hatte“. Das kraftvolle und spitzige Tuttispiel der Band, die rhythmische und klangliche Vielfalt, die wunderbaren bis brachialen Soli stehen nächstes Jahr Weihnachten wieder auf dem Programm des Jazzclubs, das hat Jazzclub-Managerin Ulrike Eilers gleich mit Roscher per Handschlag vereinbart, als diese am Plattenstand CDs und Plakate für hochgestimmte Fans signierte.
Text und Bild: Michael Scheiner
Info: www.monikaroscher.com/
Monika Roscher (* 1984 in Langenzenn) ist eine deutsche Jazz– und Independent-Gitarristin, Komponistin und Bigband-Leiterin.
Roscher wuchs in Langenzenn auf und studierte Jazzgitarre in Nürnberg und München. Ihren Abschluss machte sie mit der Aufführung einer eigenen Komposition für Bigband und nahm das zum Anlass mit Kommilitonen eine Bigband zu gründen. Das Debütalbum Failure in Wonderland erschien 2012, das aktuelle „Monsters and Birds“ 2016 bei Enja. Die 17-köpfige Bigband besteht aus je vier Posaunen, Trompeten und Saxophonen plus Rhythmusgruppe. Roscher spielt Gitarre in ihrer Bigband und singt. Sie bedient sich unterschiedlicher Stile von Indie-Rock, über Jazz und Pop bis Electro. 2017 gastierte sie in Burghausen auf der jazzwoche, beim JazzBaltica-Festival und in der Elbphilharmonie.