Oder: Wie füllt man 7.000 Plätze. Via Jazzfachzeitung BILD-Zeitung beschwert sich der Vorsitzende des Jazzverbands Baden-Württemberg, Eckhart Fischer über die Programmierung der Jazzopen 2018 in Stuttgart: „Da steht zwar „Jazzopen“ drauf, ist aber kaum noch Jazz drin. … Es ist wirklich schade, dass namhafte Jazz-Künstler für die Haupttribüne nicht in Frage kommen.“
Die Organisatoren wehren sich dagegen: „Es gibt eben nicht viele Jazz-Künstler, die den Schlossplatz mit seiner Kapazität von 7.000 Menschen füllen.“
Gegen wen oder für wen richtet sich das Programm als. Die Künstler, die auf dem Schlossplatz spielen „dürfen“ sind:
- Jamie Cullum [als Dauergast] (& Joss Stone)
- Lenny Kravitz
- Jamiroquai
- Fanta 4
- Kraftwerk
Im Alten Schloss selbst spielen:
- Gregory Porter
- Pat Metheny
- Till Brönner
- Stanley Clarke Band
Ein Fall für das Jazzordungsamt?
Die Sache ist nicht einfach, will man nicht Grenzlinien aufbauen, die die Sache nur schlimmer machen. Anders herum gefragt: Stünde da nicht Jazzopen drauf sondern Poprockopen, niemand würde sich Sorgen machen. Ohne Schwierigkeiten könnte man all die Musiker (ja es sind ja nur Musiker und eine Sängerin) in ein solches Umfeld hineinsetzen. Aber wo wir gerade mal beim Thema sind: Könnte man nicht auch gleich fragen, dass es schade sei, dass eben keine Künstlerinnen (namhaft und gut oder nichtnamhaft und gut) zum Zuge kommen.
Labelfaking
Gleichwohl zeigt die Antwort der Veranstalter schon ein Systemversagen an: Geht es also nur darum, wie man 7.000 Plätze auf dem Schlossplatz in Stuttgart voll bekommt, was hat Vorrang: Menschenbefüllung oder musikalischer Inhalt? Und wie würde man den wohl bestimmen können. Immerhin werden für einen Stehplatz 70 Euro aufgerufen. Da kann man doch eigentlich froh sein, dass die „echten“ Jazzacts, zum Beispiel im Schloss selbst, wesentlich günstiger zu haben sind.
Aber auch etwas weiteres: Es muss ja auch auf dem Schlossplatzvorplatz funktionieren. Wahrscheinlich würde auch ein Keith Jarrett (solo) den Platz füllen können. Aber sinnvoll wäre das wahrscheinlich weder für Jarrett noch für die Zuhörerinnen!
Von einem anderen Punkt des Blickes: Wenn man die Grenzen vom und im Jazz nicht so eng fasst, lässt sich sicher auch Kraftwerk verkraften. Man wird ja auch mal über den musikalischen Zaun schauen dürfen. Mich würde es natürlich freuen, einen der seltenen Auftritte von Kraftwerk besuchen zu können – und sei es eben auf einem Jazzfestival. Die Fanta4 sind sowieso Stuttgart. Jazz hin oder her. Das Festival heißt ja Jazzopen und nicht Jazzclosed.
Abgesehen davon, besser Kraftwerk als scheinheilige Jazz-Grooves aus der musikalisch industriellen Industrie von Soul und Popjazz. Wo bleibt da der Spirit des Aufbegehrens. Party allein ist doch auch nicht alles.
Wir fragen trotzdem
Aber geben wir die Frage doch weiter. Wer, werte Leserinnen und Leser, meinen Sie könnte es aus dem „engeren“ (polizeilich genehmigten) Jazzzirkel denn schaffen, den Schlossplatz zu füllen. Kommentieren Sie, machen Sie Ihre Vorschläge hier unten. Helfen Sie Stuttgarts Jazzopen 2019 zu planen. Bevor es die BILD-Zeitung tut.
Ich würde Ihnen zunächst gerne ganz viele Fragezeichen schenken, mit denen Sie Ihre Fragen schmücken dürften.
Die Jazz Open sind schon lange die kommerziell getriebene Mischkalkulation, besonders nach dem schwierigen Jahr, als sie die „Neue Messe“ als Veranstaltungsort erprobt hatten.
Man muss ja nicht hingehen.
Kraftwerk habe ich 2015 in der Liederhalle erlebt, mit etwas Glück haben die Leute auf dem Schlossplatz auch einen guten Sound und den 3D – Flash.
Metheny war gerade auf Tour in Konzerthäusern, da wurden auch ordentliche Kartenpreise aufgerufen…
Durch den Zusammenbruch des Tonträgermarktes und den gedankenlosen Streamingkonsum – Spotify als Totengräber – müssen Künstler mehr Geld mit Konzerten verdienen. Die Veranstalter profitieren natürlich mit.
Wer das Event sucht soll ruhig dafür bezahlen, wer Jazz erleben möchte sollte einfach in die Clubs gehen.
Die Fragezeichen nehme ich gerne an. Was mich etwas traurig zurücklässt, ist es also unmöglich, Jazz außerhalb von Clubs zu realisieren? Gibt es nicht irgendeinen Musiker oder eine Musikerin, die 7.000 Leute zum Zuhören und/oder Tanzen und/oder … bringen kann?
Mit Jazz hat das schon lange nichts mehr zu tun … Also – ist es wie mit allem anderen auch :
Inhalt prüfen und entscheiden ob und wo man hingeht….
Holt doch mal Daniel Puente Encina & Band
Jetzt redet mal nicht die JO madig, sonst wird Stuttgart noch zur totalen Musik-Wüste…
Die große Bühne am Schlossplatz ist doch für ein gutes Konzert nach enger Jazz-Definition gar nicht geeignet. Jazz gucken braucht das intime, die Nähe, den Schweiß auf der Stirn und das Erkennen der Blicke zwischen den Musikern. Insofern machen die Jazzopen-Organisatoren alles richtig: Große Acts aus einem weit gefassten Kreis als Zugpferde, das bringt Sichtbarkeit und Sponsorengelder und lässt die Nicht-Hardcore-Jazz-Fans auch was von dem Festival haben, im Hof spielen die großen Jazzacts für den sporadischen Jazzhörer und das wahre Festival für den Jazzfan geht im Bix ab.
Welche echten JazzerInnen die große Bühne füllen könnten? Von den Lebenden wohl kaum eine(r).
Sagt einer, der sich genauso auf Kraftwerk und die Fantas wie auf lange Nächte im Bix freut…
Gregory Porter und Till Brönner sollten große Bühnen nun wirklich bespielen können.
Es ist eine Frage, was man will. Will man ein Jazz-Festival machen oder ein freies Musikfestival?
In Hamburg gibt es mit ÜberJazz und ElbJazz Festivals, die mit Ansage über den Gartenzaun blicken.
Das funktioniert.
Ein Booking mit der größe eines Platztes zu begründen ist jedoch schwach.
Man wende den Blick vielleicht mal auf das legendäre Monterey Jazz Festival. Die kommen auch auf der nicht kleinen Open Air Bühne ausschließlich mit Jazz-Acts aus.