Kinga Glyk in ihrer YouTube-PoseFoto: Michael Scheiner
Kinga Glyk in ihrer YouTube-Pose. Foto: Michael Scheiner

Virtuos, jung und erfolgreich – Kinga Glyk

Täglich bringt das Internet über Plattformen wie youtube.com neue Stars hervor. Häufig sind solche Hypes sehr kurzlebig und die Musiker schnell vergessen. Auch die polnische Bassistin Kinga Glyk verdankt ihre schnell gewachsene Bekanntheit auch einem YouTube-Video. Darin spielt sie Eric Claptons Hymne an seinen verstorbenen Sohn, „Tears in Heaven“, in einer Dachkammer auf dem Boden sitzend solo auf einem mächtigen Fender-Electrobass. Das Video mit der innigen Version wurde mehrere Millionen mal angeklickt. Heute gehört der virtuos interpretierte Song fest zum Programm von Glyks Liveauftritten. Beim Jazzclub im Leeren Beutel spielte sie es nach einem bejubelten Konzert als Zugabe – im Schneidersitz auf der Bühne sitzend und den obligatorischen Hut in die Stirn gedrückt.

An den Auftritt der 20-jährigen Musikerin mit ihrem Trio waren hohe Erwartungen geknüpft. Beiträge im „Heute Journal“, Deutschlandfunk und im „Spiegel“, ein Auftritt beim Festival „Jazz Open“ in Stuttgart und ein Plattenvertrag bei einem Major-Label, bei dem eben das neue, dritte Album „Dream“ erschienen ist, haben auch in Regensburg Scharen Neugieriger angelockt. Wo sonst bei neuen Bands, die erstmals beim Club auftreten, eher ein überschaubarer Eindruck herrscht, war diesmal der Saal voll. Neben polnischen Landsleuten und vielen Älteren waren auch etliche Studenten im Publikum, eine sonst eher rare Spezies bei Jazzkonzerten. Deren Urteil nach rund zwei Stunden deckte sich mit dem der meisten anderen begeisterten Zuhörer: „Phänomenal“, „unglaublich“, „einfach toll“. „Wenn ich so Schlagzeug spielen könnte, wie die Bass…“, meinte eine Studentin mit strahlenden Augen bewundernd und ließ das vielsagende Ende offen.

Was dominierte bei dem Auftritt Glyks mit ihrem Vater, Irek Glyk, am Schlagzeug und Keyboarder und Pianist Piotr Matusik war der Groove. Die junge Bassistin stellte hauptsächlich Songs aus ihren ersten drei Alben vor. Deutlich beeinflusst vom Jazzrock oder Fusion, wie der stilistische Bastard später industriegerecht umgetauft wurde, und des Modern Jazz der 70er und 80er Jahre beeinflusst, geht es ihr darum das Publikum, die Menschen zu erreichen. Bei aller Virtuosität mit langen, ausführlichen Soli der drei Musiker und lustvollen Improvisationen geht es spürbar auch um den Spaß an der Musik, um Tanzbarkeit auch und Power. Letztere legte vor allem Papa Glyk an den Tag. Dabei überspannte er mit seinem harten Spiel manchmal den Bogen und trommelte Tochter Kinga und den Tastenmann regelrecht an die Wand. Dieser, Matusik, ein wieselflinker Instrumentalist, lief mit wilden, an John Medeski geschulten Soli auf den parallel gespielten Keyboards zur vollen Grösse auf. Die Bandleaderin selbst begeisterte ein ums andere Mal mit knackigen Soli und atemberaubenden Improvisationen, die vielfach das große Vorbild, den Weather-Report-Bassisten Jaco Pastorius, durchschimmern lassen.

Musikalisch hat die fulminante Bassistin, ein tolles Vorbild für jüngere Musikerinnen, ihren Weg noch keineswegs gefunden. Ihre eigenen Stücke erreichen selten das Niveau, das sie spieltechnisch spielend erklimmt – sind manchmal sogar ein wenig langweilig. Aber das ist eigentlich selbstverständlich. Mit 20 Jahren ist wohl fast Jede(r ) noch auf der Suche – nach seiner Stimme, seinem Ausdruck, seinem Platz – und darf sich „Hope“ (Hoffnung) auf eine bessere Zukunft machen. Ob Glyk der Glaube an Gott, wie sie das ein Stück während des Konzertes anmoderiert, dabei hilft, sei dahingestellt. Der Glaube an sich selbst bringt sie bestimmt weiter – und eine Lösung aus den engen Familienbanden.

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