Erst im April dieses Jahres griff Alex Rawls, MySpiltMilk.com das Thema, ob nun Jazz eine wirklich glückliche Bezeichnung für Jazz ist, wieder auf. Das Jazz-Genom habe nämlich folgendes Problem:
“For many though, the word „jazz“ only evokes the music that lives in a universe defined by Miles Davis, John Coltrane and Thelonious Monk, and the other music is all something else.” [‚Jazz‘ is dead — call it something else. Do you agree?]
Da wäre man eben bei der Rolling-Stone-Liste wieder, das sich als replizierendes Genom selbst aus dem Rennen wirft. Also verödet als Gegenstand einer historischen Phase. Nun muss man die Diskussion nicht eigens wieder aufwärmen: Die Vorschläge in dem Artikel von Rawls seitens der Musiker waren ja „American Black Music“ (Nicholas Payton), „social music“ (Jon Batiste) und „stretch music“ (Christian Scott). „When I say ’stretch music,‘ it’s an extension of what I hope for and see New Orleans being, and my community growing into. The music is an extension of the person. Stretch music is the sound of how we re-evaluate music,” zitiert Rawls zum Beispiel Christian Scott.
Alles für die Katz. Erst vor wenigen Monaten hatte Claus-Steffen Mahnkopf das Thema für den Terminus „Neue Musik“ aufgegriffen. Musik der Gegenwart, Ü-Musik? Das aber verpufft alles. Begriffe und Termini sind hartnäckig. Selbst die misslungenen.
Neologismen haben es schwer. 1949 fragte die Zeitschrift DownBeat schon einmal nach akzeptablen Neuschöpfungen und kam zu folgendem gewichteten Ergebnis (zitiert nach: Hans Heinrich Eggebrecht (Hg.): Terminologie der Musik im 20. Jahrhundert, HMT-Sonderband 1, Eintrag Jazz).
- Crewcut
- Amerimusic
- Jarb
- Freestyle
- Mop
- Novaclassic
- Pulsemusic
- Mesmerhythm
- Le Hot
- Bix-E-Bob
- Hip
- Id
- Sock
- Swixibop
- X-Tempo
- Ragtibop
- Blip
- Beatpoint
- Idoism
- Ameratonic
- Improphony
- Schmoosic
- Syncorhythm
- Beatfelt
- Syncope
- Reetbeat
Immerhin die Blips und der Hip haben es dann doch in anderem Zusammenhang in den Wortschatz geschafft. Blips, Bleeps & Blops … Und Schmoosic sage ich eine große Zukunft voraus.
Man kann es aber auch alles positiv wenden. Um den Begriff Jazz lassen sich viele Begriffs- und Musikfelder neu bilden, die Abgrenzungen zu sozialen und politischen Zwecken ermöglichen. So wie sich ein „Total Music Meeting“ gegen die Berliner Jazztage positionierte. Letztere standen für den emporgekommenen Jazz, erstere unter anderem für das unheimliche musikalische Begehren. Zwei Seiten einer Medaille – oder gleich mehrere eines Dodekaeders. Später dann mit hohem Durchdringungspotential.
Zugegeben, bei der Entschlüsselung des Jazz-Genoms sind wir noch nicht wirklich weit gekommen – oder eben, je nach Blickrichtung, zu weit. Aber dazu mehr im nächsten Beitrag …