Dieter Ilg hat sich mittlerweile einen Platz in der ersten Riege der Bassisten gesichert – national wie international. Unabhängig von seiner kontinuierlichen spielerischen Vielseitigkeit, angefangen bei Marc Copland , Roberto di Gioia oder Mike Manieri, im Duo mit Charlie Mariano oder Till Brönner, erkundet Ilg seit 2009 im Trio mit Rainer Böhm am Piano sowie dem Schlagzeuger Patrice Héral Harmonik, Strukturen und Rhythmik klassischer Komponisten, die er mit seinem Trio jazztechnisch unter die Lupe nimmt. Anders als die seinerzeit im „Third Stream“ üblichen, zum Teil musikalisch abgehobenen, Experimente oder swingende Klassik-Varianten eines Jacques Loussier, nimmt sich Ilg mit seinem Trio ausgewählte Kompositionen und deren Werke vor, analysiert sie und bereitet diese fast visionär auf. Angefangen mit Verdis „Otello“, von der es eine Studio- und eine Live-Version gibt, folgte Wagners „Parsifal“, danach widmete er sich den Werken Beethovens (nomen est omen: „Mein Beethoven“).
Nun folgt Ilgs vierter Streich: „B-A-C-H“! Ein nicht minder mutiges Unterfangen, das er sich da vorgenommen hat, das allerdings nahtlos an die vorangegangenen Projekte und Aufnahmen anknüpft. Wer das Trio schon einmal live gesehen hat, weiß wie die Musiker agieren: seelenverwandt, traumwanderlisch spielen sie zusammen und verschmelzen im Spiel hoch konzentriert zu einer musikalischen Einheit. Warum aber erst jetzt Bach – nach Verdi, Wagner und Beethoven? Eine besondere Herausforderung, oder nur logische Konsequenz? Bach und Jazz das gab und gibt es, ist eigentlich nichts Neues. Nach dem Hören dieser Aufnahme aber erübrigen sich solche Fragen. Ilg betreibt erneut eine ungemein intensive Auseinandersetzung mit dem Barockkomponisten, wohl überlegt, spannend und voller Überraschungen. Beginnend mit einer Adaption des Prelude in A-Moll folgen im Weiteren Präludien, Sonaten- und Konzertauszüge, dazwischen immer wieder Goldberg Variationen in loser Folge, die wie eine Klammer Kompositionen und Interpretationen des Projekts zusammenhalten. Natürlich dürfen auch „Gassenhauer“ wie z.B. „Air“ oder „Siciliano“ nicht fehlen. Aber genauso wie bei der „Aria“ der Goldberg Variationen werden die Themen lediglich angespielt, um diese dann unkonventionell aber schlüssig zu interpretieren. Das Ganze frisch und frei präsentiert, neu geformt mit klarer Jazzintention.
Das Spiel des Trios lässt sich in keine Schublade packen und ist fernab irgendwelcher Crossover-Projekte. Ilgs warmer, ausdrucksstarker Bass beschwört förmlich Bachs Geist, während Héral auf seinem Schlagzeug dazu filigrane Rhythmen zaubert und Böhm mit wunderbarem Anschlag und viel Fingerspitzengefühl sowohl „Hits“ als auch die komplexeren Themen in ein neues, Jazz-Gewand steckt. Eine gelungene, wunderbar konsequente Aufnahme, die Bach so innovativ erklingen lässt, wie man ihn lange nicht mehr gehört hat.
Thomas J. Krebs
Dieter Ilg: B-A-C-H
ACT 9844-2