Außergewöhnliche Band um den Gitarristen Helmut Nieberle lässt beim Konzert im Regensburger Thon-Dittmer-Palais die Musik Django Reinhardts und Stephane Grappellis aufleben
Es ist eines der ungewöhnlichsten Konzerte des Jahres gewesen – musikalisch, aber auch von den Umständen her. Soviel kann man schon jetzt über das Tribute-Konzert für Django Reinhardt und Stephane Grappelli im Hof des Thon-Dittmer-Palais beim Palazzo-Festival sagen. Pünktlich zur Pause meldete sich eine Regenfront mit dem ersten Schauer, der mit ein paar Unterbrechungen gegen Ende in einen ordentlichen Dauerregen übergegangen war. Eingehüllt in blaue und transparente Plastikfolien, harrte das Publikum bis zur Zugabe und „einer weiteren Überraschung“ unverdrossen auf den längst feuchtnassen Stühlen aus.
Während strömender Regen auf die Regencapes und Zeltdächer prasselte und damit ein zusätzliches Klangspektrum eröffnete, nahmen hinter der sechsköpfigen Band auf der Bühne sechs weitere junge Gitarristen auf bereitstehenden Stühlen Platz. Allesamt Schüler Helmut Nieberles, der das fantastische Konzert in dieser außergewöhnlichen Besetzung auf die Beine gestellt hat, spielten sie eine beschwingte Version von Reinhardts „Minor Swing“ in A-Moll, das dieser 1937 mit Grappelli geschrieben und mit dem „Quintet of the Hot Club of France“ veröffentlicht hat. Bei der improvisierten Solostimme wechselten sich die jungen Musiker nacheinander solistisch ab, begleitet vom Applaus der begeisterten Zuhörer. Erst nach diesem zusätzlichen musikalischen Happening verließen sie fluchtartig die ungemütlich gewordene Stätte, während sich auf der Bühne immer mehr breite Rinnsale um die Mikroständer und Stühle der Musiker bildeten.
Schon während der zweiten Konzerthälfte beobachtete Nieberle misstrauisch, wie sich das Wasser langsam den Weg zu ihm bahnte, während er mit der Band eine eigene Version des russischen Klassikers „Schwarze Augen“ anstimmte. Über einen langsamen, sehr unsentimentalen Einstieg begann der Augsburger Geiger Sandro Roy sein herzerwärmendes Solospiel, das er bis zru virtuoser Ekstase steigerte. Hier durfte es dann auch ein wenig schmalzig werden. Ein Paradestück für den meisterlichen Violinisten, der bei jedem seiner Einsätze von den „Donauwellen“ bis zu „J.L. Swing“, einer antreibenden Komposition die er für Jermaine Landsberger geschrieben hat, mit dem ganzen Körper mitging. Neben dem atemberaubenden jungen Geiger hatte Nieberle anfangs einen weiteren Jungstar vorgestellt, den aus Wien kommenden Gitarristen Diknu Schneeberger. Beide betonten, dass sie schon länger „etwas miteinander machen wollten“ und sich sehr auf ihre erste gemeinsame Begegnung freuen würden. Komplettiert wurde die einmalige Besetzung durch die Cordes-Sauvage-Mitglieder Stephan Holstein (cl), Wolfgang Kriener am Bass und Ferry Baierl. Der „sitzt seit 35 Jahren an der Rhythmusgitarre“, stellte Nieberle seinen Partner vor, „und gehört längst zum Weltkulturerbe des Jazz“.
Zum immateriellen Teil des Welterbes müsste auch der von Django Reinhardt kreierte spezielle Swing aus französischer Musette, expressivem New-Orleans-Jazz und der traditionellen Musik der Roma längst gezählt werden. Für den Tribute-Abend hatte Nieberle, von dem auch viele der Arrangements stammen, heitere Nummern wie das schnelle „Swing 42“, geschrieben 1941, das flotte „Shine“ und Titel von Sidney Bechet und Victor Young ausgesucht. Das unumgängliche „Nuages“, von vielen Musikern schon bis zur Unkenntlichkeit verstümpert, spielte der Regensburger Gitarrencrack in einer wunderbar bewegenden Version im Duo mit dem 27-jährigen Schneeberger. Der, wie Sandro Roy selbst ein Rom mit starken musikalisch-familiären Wurzeln, begeisterte mit seinen kunstfertigen Soli eins ums andere Mal. Mit dem Musette-Walzer „Indifference“ von Tony Murena ließ er sichtlich Träume bei vielen Zuhörer keimen, die sich vermutlich nur vom Regen davon abhalten ließen, einige Runden zu tanzen. Es waren fantastische Unisonopassagen, packende und zarte Improvisationen vor allem von Holstein, Schneeberger und Roy, virtuoses Spiel und gefühlvolle Balladen mit welchen die sechs Instrumentalisten die Musik des französischen Giganten und den von ihm geschaffenen Gypsy-Swing auf erregende Weise lebendig haben werden lassen. Ein bemerkenswerter Abend, der nicht nur wegen der äußeren Umstände im Gedächtnis bleibt.
Von Michael Scheiner