CD-Rezension – Michael Naura Quintett: European Jazz Sounds

Manchmal gibt es noch echte musikalische Überraschungen, die man partout nicht erwartet hätte! So die bei dem engagierten, umtriebigen be-bop Label gerade erschienene DoCD des Michael Naura Quintetts „European Jazz Sounds“ (nicht identisch mit der gleichnamigen, 1963 auf Brunswick erschienenen LP!) mit seltenen, sowie bis dato unveröffentlichten Live-Aufnahmen.

Das Michael Naura Quintett  war Anfang der fünfziger- und sechziger Jahre eine der erfolgreichsten deutschen Jazzcombos, die Einflüsse von George Shearing über Horace Silver bis hin zu Dave Brubeck oder dem Modern Jazz Quartett verinnerlichten und musikalisch selbstständig weiter entwickelten. Absolut stilprägend war hierbei die fruchtbare Zusammenarbeit des Pianisten Michael Naura mit Wolfgang Schlüter am Vibraphon. Frisch, unverbraucht, auf zu neuen musikalischen Ufern – so muss es damals wohl gewesen sein. Der Klang dieser Musik jedenfalls hat bis heute nichts von seinem Reiz verloren!

Auf der ersten CD sind Live Aufnahmen vom Dezember 1961 aus der legendären Hamburger Kellerbar Barett zu hören, in dem das Naura Quintett über sieben Jahre kontinuierlich ein festes Engagement mit unzähligen Auftritten hatte. Hinter den im CD-Booklet als Session 1-7 gekennzeichneten Tracks verbergen sich Perlen wie „I Remember Clifford“ (CD 1 #2), „Polka Dots And Moon Beams“ (CD #5), „Two Bass Hit“ (CD #6), „Nica‘s Dream“ (CD #7) oder „I Can’t Get Started“ (CD #8), die der NDR seinerzeit glücklicherweise mitgeschnitten hat. Lediglich zwei Stücke aus dieser Session – „Nica’s Dream“ sowie „I Can’t Get Started“ wurden vor Jahren einmal im Rahmen einer NDR Sendung übertragen (Info für Naura-Connoisseurs: gesendet wurde eine Aufnahme vom 15.12.1961 – Titelfolge: „Freddy Freeloader“, „Flamingo“, „Work Song“, „Nica’s Dream“, „I Can’t Get Started“, „Milestones“, „Weißboard“, „Party with John“ & „Sensibility“). Danach folgen auf der CD noch zwei Stücke „Rainy Clouds“ und „Rhythm-A-Ning“, aufgenommen beim 9. Deutschen Jazzfestival Frankfurt 1964.

Auf der zweiten CD befinden sich dann, neben den Stücken „Topsy“ und „Tickle Toe“, aufgenommen im NDR 1957 und 1958, die offiziellen, vom Michael Naura Quintett bis dato lediglich auf Vinyl erschienenen, 4-track 7‘‘ EP‘s der Label Telefunken und Metronome:  „Das Michael Naura Quintett“, „Down to Earth“ & „Jazz from Berlin“. Außerdem noch der Track „Where are you“, 1956 eingespielt vom Michael Naura Quartett und seinerzeit  ebenfalls als 7‘‘ erschienen auf Brunswick unter dem Titel „Berlin Jazz“.

Erlaubt sei noch eine kleine diskografische Korrektur zum liebevoll gestalteten und ausführlich bebilderten Booklet: auf der zweiten CD #12-15 (also der Single „Jazz from Berlin“) trommelt Tom „Eminenz“ Roberts und nicht wie angegeben Heinz von Moisy. Der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Alles in allem ist diese Veröffentlichung eine erstklassige und soundtechnisch hervorragend aufgearbeitete Ergänzung zum Œuvre Nauras, die sowohl diskografische Lücken schließt und gleichzeitig seltene Aufnahmen wieder zugänglich macht. Michael – „you’ll be always on our mind“!

Von Thomas J. Krebs

  • Michael Naura Quintett:  European Jazz Sounds
    be-bop 6196-97 CD

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