jazzopen, das könnte man übersetzen mit „offener Jazz-Begriff“. Klingt nicht so sexy, ist aber korrekt. Dieser programmatische Name steht seit 1994 über Stuttgarts großem Sommerfestival. Auch wenn das Programm von jazzopen zunächst aussieht, als sei es nach dem bewährten Montreux-Muster gestrickt – viel Rock, Pop, Soul und Blues, garniert mit einer Prise Jazz –, bei Stuttgarts jazzopen ist tatsächlich noch echter Jazz drin, dieses Jahr sogar spürbar mehr als in früheren Sommern. Das verführte am Donnerstagabend sogar Deutsch-Rapper Jan Delay als Wort-Improvisator dazu, mit dem Jazz zu flirten.
Delays Steigerung von Jazz lautete: Freejazz, Acid Jazz, Till Brönner. Jazz moves, jazz bewegt – beim Doppelkonzert von New Orleans Power-Party-Jazzer Trombone Shorty und Jan Delay als Haupt-Act bewegte die Musik vor allem etwa 6.500 Körper des anwesenden Disko-Disko-Party-Party-Völkchens. „Just fight for your right to party“ skandierten drei Soulsängerinnen von Delays Band Disko Nr. 1 inbrünstig und Stuttgart traf sich vor dem Neuen Schloss zum ausgelassenen Dance Move. Da blieben sogar die über 200 Euro-teuren VIP-Lounge-Plätze leer, denn zum Tanzen gehört das gemeine Bad in der Menge. Jan Delay heizte ein mit Hits wie „Hammerhart“ oder „Oh Jonny“ und gab seinen rappenden Gästen Denyo und Samy Deluxe eine ausgiebige Plattform. Vom begeisterten Publikum wurde er nach dem Ende eines zweistündigen Konzerts noch zu einer halbstündigen Zugabe motiviert, fast gezwungen, bei der über Gassenhauer von Lenny Kravitz, den Beastie Boys bis hin zu Blur noch einmal schwer crossover improvisiert wurde.
Jan Delay mag es der JazzZeitung.de verzeihen, dass für die Galerie mehr Fotos von Trombone Shorty ausgewählt wurden als von ihm. Das mag an der selektiven Jazz-Wahrnehmung der Redaktion liegen. Als echtes New Orleans-Gewächs steht Shorty für einen Dixie-, Funk- und Blues-orientierten Jazzgroove, der sich häufig an der Kante zur Tanzmucke bewegt, aber dann doch nie auf dem Dancefloor ausrutscht und ins Seichte driftet. Als perfekter amerikanischer Showman lieferte Shorty exakt 60 Minuten Power-Pop-Funk-Jazz ab und keine Minute mehr. Seine druckvolle New Orleans Show inszenierte der kurzgewachsene Posaunist im Zusammenspiel mit seinen virtuosen Sideman: Mike Bass am viersaitigen E-Bass, Pete Murano mit einer exzessiven E-Gitarre, Joey Peebles mit solidem Rockjazz-Schlagzeug sowie die temperamentvollen Saxophonisten BK Jackson und Dan Oestreicher, die den James Browns-Horns Konkurrenz machen könnten. Das Repertoire umfasste in etwa Shortys jüngste CD „Parking Lot Symphony“ mit Nummern wie „Here Come the Girls” oder „Where It At?“. Trombone Shorty spielt nicht nur Posaune wie sein Name vielleicht glauben machen möchte: Virtuose Trompeteneinlagen und originelle Songs aus Eigenproduktion zeigen ihn auch in Stuttgart als vollendeten Showman, Sänger, Bandleader, Dirigenten, Komponisten und auch Blechbläser.
Die Location im Ehrenhof des Neuen Schlosses, dem Zentrum von Stuttgarts schönstem Platz, dem Schlossplatz, ist sensationell – für phonstarke Dancefloor Music wie die von Trombone Shorty und Jan Delay aber nur bedingt geeignet. Die Schlossflügel mit ihrer Resonanz vermitteln einem an manchen Stellen das Gefühl, man sitze im Auto bei geöffnetem Rückfenster und voll aufgedrehter Anlage. Natürlich hört man in der Mitte des Hofs, vor allem aber auf den teuren Tribünenplätzen den perfekt abgemischten Sound. Aber was nützt einem das bei einer Tanzmucke? Dennoch, das Ensemble des Schlossplatzes bleibt an lauen Sommerabenden unübertroffen. Dabei ist sie nicht die einzige bemerkenswerte Location der jazzopen: Zu den Klassikern wie dem Jazzclub Bix, dem Scala in Ludwigsburg oder der Liederhalle gesellte sich jetzt ein neuer Konzertort, der Renaissance-Innenhof des Alten Schlosses mit seiner wunderbaren Akustik.
Text: Andreas Kolb, Fotos: Susanne van Loon
Das Festival jazzopen 2017 dauert noch bis Sonntag, den 16. Juli 2017. Zu Gast sind Quincy Jones & Friends, Tom Jones und Electro deluxe sowie Joey DeFrancesco.