Roger Vadims Film “Les Liaisons Dangereuses” aus dem Jahr 1960 ist eine ins zeitgenössische Frankreich übertragene Adaption und gleichzeitig erste Verfilmung des berühmt berüchtigten Briefromans von Choderlos de Laclos (Gefährliche Liebschaften), einem Meisterwerk der französischen Literatur. Sein Film war eine frühe Regiearbeit der Nouvelle Vague.
Für den Jazzfan spannend ist dabei die Filmmusik. Von Art Blakey gab/gibt es einen gleichnamigen Soundtrack auf fontana, der musikalisch im Film aber eine eher untergeordnete Rolle spielt. Thelonious Monk spielte am 27. Juli 1959 die Musik, die im Hintergrund des Films „Les Liaisons Dangereuses“ zu hören ist, in den New Yorker Nola Studio ein (an den beiden darauf folgenden Tagen nahm Art Blakey dann dort mit den Messengers, im Quartett und den Afrocuban Boys seine Stücke für den Film auf). Soweit so gut – nur: Was passierte mit den Monk Originalbändern?
Vor ein paar Jahren entdeckten Francois Lê Xuân und Frédéric Thomas bei der Suche nach Aufnahmen von Barney Wilen im Nachlass des französischen Jazz-Impressarios Marcel Romano, der auch für die Musik von Filmen wie „Des femmes disparaissent“, „Ascenseur pour l’échafaud“ oder „Un témoin dans la ville“ als Produzent verantwortlich war, einen sensationellen Schatz: die Originalbänder der Monk-Aufnahmen zum Film „Les Liaisons Dangereuses“. Damit ist eine musikalische Sensation zum diesjährigen 100. Geburtstag von Monk perfekt und gleichzeitig eine wichtige musikalische Lücke geschlossen. Eingespielt mit seinem treuen Weggefährten, dem Tenorsaxofonisten Charlie Rouse, Sam Jones am Bass sowie dem Schlagzeuger Art Taylor präsentiert das vorliegende Album auf der ersten CD 10 Songs, mal solo, im Trio, Quartett oder im Quintett, verstärkt durch den französischen Tenoristen Barney Wilen und vermittelt echten Hörgenuss: musikalisch wie qualitativ. Die Bänder waren über die Jahre glücklicherweise optimal gelagert und konnten somit für die Veröffentlichung einwandfrei gemastert und abgemischt werden. An besagtem Tag herrschte offensichtlich gute Stimmung, positive Vibes. Monks Frau Nelli, sein damals neuneinhalb Jahre alter Sohn „Toot“ Thomas Sphere, Tochter „Boo Boo“ Barbara und auch Baroness Pannonica de Koenigswarter waren im Studio anwesend und trugen mit ihrer Präsenz dazu bei, dass die Musiker aus „vertrauten“ Monk-Kompositionen Energie für großartige Interpretationen schöpften. Monk hatte nicht die Kraft neue Stücke für den Film zu komponieren, so spielte er mit den Musikern seine Originals und einen Gospel. Roger Vadim und sein Musical Advisor Maurice Leroux sollten im Nachgang dann entscheiden, was sie damit anstellen, und wie sie die Aufnahmen einsetzen. Auf der zweiten CD sind eine Reihe von Alternative Takes zu hören, zwei 45er Master Versionen „Light Blue“ und „Pannonica“, sowie ein hochinteressantes fast fünfzehn-minütiges „makin‘ of“ des Stückes „Light Blue“, bei dem Monk mit Art Taylor Einsätze und den vertrakten Rhythmus der Komposition probt und auslotet.
Ein schöneres Geschenk gibt es für Fans oder Monkneugierige zum 100. Geburtstag des großen Meisters nicht. Es passiert zum Glück eben immer mal wieder: Wunder und Klangschätze, die unvermittelt auftauchen, musikalisch begeistern und „Lücken“ schließen.
Erschienen ist die Aufnahme bei Sam Records sowohl als Doppel LP als auch auf DoCD mit liebevoll gestaltetem Sleeve sowie 60-seitigem Booklet mit herrlichen s/w- und Farbfotos der Session und Aufsätzen von Alain Tercinet, Robin D.G. Kelley & Brian Priestley.
Text: Thomas J. Krebs