Es war klar, dass da noch mehr geht – viel mehr! Tobias Hoffmann, Kölner Gitarrist und ECHO-Jazz- sowie WDR-Jazzpreisträger im letzten Jahr tritt mit einer eigenen starken Stimme auf den sechs elektrifizierten Saiten aufs neue ins Rampenlicht. Sein Markenzeichen: Zum einen die kompromisslose und gnadenlos subjektive Einverleibung großer Songs, gerne aus der Rock- und Popgeschichte. Zum anderen ein erdiger, analoger, warmer, singender, kurz gesagt einfach „großer“ Sound, der auch vor manchem legendären Bluesgitarristen von einst Gnade finden würde.
Jetzt hat Hoffmann zehn neue Klassiker vor dem Verstauben gerettet. Aber Hoffmann wäre nicht Hoffmann, wenn er hier deutlich mehr macht, als einfach nur Denkmäler aufzustellen. Will sagen: Aus der Stückeauswahl entsteht etwas organisches, zusammenhängendes – eine ganz typische, oft meditativ fließende Slowmotion-Dramaturgie, die als Soundtrack für alles mögliche taugt.
Mit nichts geringerem als einem Prolog im Himmel eröffnet die CD, denn so heißt Duke Ellingtons Stück. Erstmal in die Klangwelt hineintasten, mithelfen, dass sich imaginäre Poren öffnen. Weiter geht die Reise mit dem ewigen Blues als Treibmittel. Cruisen und nie hetzen ist angesagt. Auch wenn Hoffmann wieselflink die Finger einsetzt, liegt immer in der Ruhe die Kraft. Das fette „Spoonful“ von Willie Dixon wird regelrecht von hinten aufgerollt, wenn sich erst nach einem verqueren Intro die einschlägigen Riffs ausbreiten. „The Look of Love“ von Burt Bacharach reißt Hoffmann aus jeder Süßlichkeit heraus, denn gerne ist auch Ironie im Spiel. Thelonious Monk braucht man überhaupt nicht erst auf ironisch zu trimmen: Sein „Ask me Now“ atmet einen Sarkasmus, der zugleich wunderschön ist. Vor allem, wenn Hoffmann hier die Fender zur Seite legt und mit einem scheppernden Banjo alles auf die Spitze treibt. Jazzpolizisten seid vorgewarnt: Hoffmann denkt im Moment über ein reines Thelonious-Monk-Banjo-Album nach. Und man möchte ganz tief versinken in die bittersüße Melancholie des Chris-Isaacs-Songs „Wicked Game“. Es wird auch mal Gas gegeben: Ein harsches Intro öffnet das Tour für unregelmäßige Breakbeats, alsdann synkopengespickt und mit einem Feuerwerk an schrägen Soundeffekten Britney Spears „Toxic“ ins Visier genommen wird. Etienne Nillessen, Schlagzeug und Frank Schönhofer, Bass, sind bei allen Taten und Untaten hellwach dabei. Was aber nie Selbstzweck ist, sondern immer dem tiefen Erfassen und -manchmal auch skurillem- Hinterfragen der tieferen Botschaften eines jeden Songs dient.
Von Stefan Pieper
CD:
Tobias Hoffmann Trio: Blues, Ballads & Britney
Klaeng Records 2017