Ekkehard Jost in der Ostdeutschen Galerie in Regensburg 2004. Foto: Hufner

Der streitbare Musiker und Forscher – Zum Tod von Ekkehard Jost

Letzten Donnerstag starb im Alter von 79 Jahren Ekkehard Jost. Er gilt als einer, wenn nicht, der Pionier der Jazzforschung in Deutschland. Seine Habilitationschrift „Free Jazz“ aus dem Jahr 1972 brachte dem Jazz in Deutschland nicht nur akademische Weihen, sondern war natürlich, mehr als bemerkenswert. Eine Arbeit über Jazz und zwar eine über aktuellen Jazz zu schreiben und damit in der Musikwissenschaft zu reüssieren muss als Unmöglichkeit erscheinen. Gewiss, 1970, im Umfeld des Beethovenkongresses hat sich in der deutschen Musikwissenschaft viel bewegt.

Ekkehard Jost in der Ostdeutschen Galerie in Regensburg 2004. Foto: Hufner
Ekkehard Jost in der Ostdeutschen Galerie in Regensburg 2004. Foto: Hufner

Der Zeitpunkt war günstig. Dass er, Ekkehard Jost, ein echter 68er mit allen politischen Implikationen, dann aber auch noch Ordinarius für Musikwissenschaft an der Universität Gießen wurde, darf als nächste Erstaunlichkeit wahrgenommen werden. Am Institut für Musikwissenschaft und Musikpädagogik sammelte sich zu der Zeit eine junge Schar progressiver Musikwissenschaftler (wie der Musikpsychologe Eberhard Kötter, der junge tschechische Forscher Peter Faltin, der Dahlhaus-Schüler und Ästhetiker Peter Nitsche und später und leider zu kurz der Sozialgeschichtler Erich Reimer). Peter Brömse war damals der Direktor, der mit Mut und guter Hand das Institut profilierte – sicher zusammen mit der Musikpädagogin Gisela Distler-Brendel.

Hier also blühte die Neue Musikwissenschaft auf – an deren Spitze: Ekkehard Jost als Vertreter der Systematischen Musikwissenschaft (wie Kötter aus der Reinecke-Schule der Hamburger Musikwissenschaft stammend). Und man hatte sich neben der musikalischen Analyse, Ästhetik, Theorie, Soziologie und der Geschichte aktueller Musik auch der Sozialgeschichte verschrieben. Diese noch unklar bestimmte Größe der Forschung zwitterte zwischen Soziologie und Geschichte – stand universitätsintern, wie immer gesagt wurde, im Verdacht irgendetwas mit Sozialismus zu tun gehabt zu haben.

Man untersuchte in Gießen also auch die soziale Situation von Musikern ebenso wie man sich empirisch mit der Wahrnehmung von auseinandersetze. Das alles in einem politisch aktivierten Umfeld der Nach-68-Studenten. Ekkehard Jost machte sich insbesondere an die Analyse der Jazzgeschichte unter all diesen Fragen. Herausgekommen sind mehrere Publikationen zu Sozialgeschichte des Jazz und zu den sozialen Bedingungen von Musikern. Man erkennt die Wirksamkeit dieser Gruppe nicht zuletzt auch an ihren Früchten: Hans-Günther Bastian (Hochbegabtenforschung) war in Gießen pädagogischer Mitarbeiter, Herbert Hellhund promovierte mit einer Arbeit über „Cool Jazz“ bei Jost, Martin Pfleiderer („Zwischen Exotismus und Weltmusik. Zur Rezeption asiatischer und afrikanischer Musik im Jazz der 60er und 70er Jahre“ zur Zeit Professor in Weimar) – weitere Namen könnte man nennen Studenten, die heute in verschiedenen Positionen arbeiten. Das Institut in Gießen, das Jost nachdrücklich mitprägte, war offen, ebenso wie die Studiengänge damals noch offen waren für je spezifische Entwicklungen.

Jost war blieb aber ebenso als Musiker aktiv und als Organisator von Konzertveranstaltungen. Auf sein Ruf hin kamen nach Gießen zu Konzerten in der „Oktave“ und ans Institut Han Benning, Misha Mengelberg, die Kölner Saxophon Mafia, Vinko Globokar, Günther Baby Sommer und viele, viele andere (aber an diese erinnere ich mich noch bestens). Musik machte er an seinem Saxophon in mehreren Gruppen, deren bekannteste „Amman Boutz“, „Grumpff“ oder „Carambolage“ waren. Zugleich adaptierte er Verfahren der Musik von John Cage und institutionalisierte sie, das heißt, er verankerte sie im Raum der Forschungstätigkeit. Musikmachen und Forschen, das war kein Problem.

Einem breiteren Publikum bekannt geworden dürfte er auch durch seine Radiosendungen zur Geschichte des Jazz geworden sein, die er zuhause in seinem Studio selbst produziert hat. Sein Schreibstil war auch schon in seinem Free-Jazz-Buch nicht akademisch, Jost konnte die Dinge wunderbar formulieren. Manche seiner Bücher konnte man tatsächlich mit ins Bett nehmen und rasend schnell verschlingen. Dass er mit den Werken auch zugleich aneckte, muss man positiv wahrnehmen.

Aufmupf gehört dazu

Man konnte sich also bestens streiten über alle Themen der Selbstverwaltung der Universität und über musikologische Fragen: Nicht zuletzt die Frage zum Dauerbrenner „Groove“, was das nämlich sei, oder Swing, wie der wohl entsteht! Jedem, der in der Veranstaltung zur musikalischen Analyse II (das heißt der Analyse Nichtnotierter Musik) saß, musste das irgendwann einmal hören und in der Folge heiß diskutieren. Wie sowieso neben dem Pensum des Unterrichtsstoffes auch aktuelle Fragen immer wieder in die Seminare eingebrochen sind und nicht als Hindernisse gesehen wurden, sondern als Herausforderungen des lebendigen Musiklebens.

Ekkehard Jost hat, wie wenige andere Musikwissenschaftler neben ihm, Institutionen- und Musikforschungsgeschichte geschrieben, nicht zuletzt auch durch sein Engagement beim Aufbau des Jazzinstituts Darmstadt.


Erinnerung an den wohl einzigen Auftritt von Ekkehard Jost in Regensburg

Ein Trio als Quartett – Stefanski & Friends in der Ostdeutschen Galerie Regensburg

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3 Kommentare

  1. Sein Buch habe ich praktisch gefressen, es war das beste, was damals auf dem „Markt“ war. Ich bin ihm sehr verbunden dafür. Der Große jazzer wird ihn sicher freudig aufnehmen.

  2. Als Reinhold Brinkmann uns nach seinem Wechsel von Berlin als Studenten die Frage stellte: Wen holen wir nächstes Semester per Lehrauftrag nach Marburg, fiel die Wahl auf Ekkehard Jost. – Ich erinnere mich noch gut daran, das er mir später sogar einmal sein Bariton kurzfristig auf der Bigbandbühne Giessen übergab…

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