Mit richtigem Dreh junge Leute erreicht

Mit Nuejazz/ hat Nürnberg endlich wieder ein internationales Jazzfestival, das vom engagierten Jazzmusiker-Verein veranstaltet wird

Avishai Cohen. Foto: Michael Scheiner
Avishai Cohen. Foto: Michael Scheiner

Von Michael Scheiner – Noch während Avishai Cohen seinen Bass auf den Bühnenboden ablegen will, reisst es die ersten Zuhörer förmlich aus ihren Sitzen. Sekunden später steht das gesamte Auditorium in der Staatsoper Nürnberg und bejubelt tosend und pfeifend den überwältigenden Auftritt des israelischen Bassisten mit seinem Trio. Cohen hat eben sein letztes – und wie er sagt: „das letzte ist immer das beste“ – Konzert einer Europatournee mit einem schnellen hymnischen Stück beendet, bei dem das Trio am Schluss geradezu zu explodieren schien. Dramaturgisch hervorragend platziert, bildete es den Höhepunkt eines vorwiegend verhaltenen kammermusikalischen Konzertes höchster Güte. Seit Eberhard Weber hat kein Bassist die subtile Eleganz und einen ebenso feinen, wie vollen Ton an seinem Instrument besser ausgelotet, wie Cohen. Während Pianist Omri Mor mit stoischer Regelmäßigkeit den Groove mit repetitiven Motiven am Laufen hält, dabei in feinsten dynamischen Schattierungen Akzente setzt, malt Itamar Doari perkussiv-leuchtende Klangbilder voller Schönheit und fein gemaserter Fülle. Der Bass dominiert, nur selten gibt Cohen die Führung an seinen großartigen Pianisten ab, der ein Fan von Brahms zu sein scheint. Arabische Stimmungen bringt Doari auf einem von Cajon, Rahmentrommel und Glöckchen geprägten Instrumentarium ins Spiel. Meist schlägt er auch die Snare mit der Hand, setzt Sticks nur bei den Becken ein und kreiert auf diese Weise einen eigenwilligen Sound mit oft komplexen Rhythmen.

Das Konzert es Trios ist der krönende Abschluss des Nuejazz/-Festivals, welches heuer zum vierten Mal stattgefunden hat. Jahrzehnte nach Jazz-Ost-West und einigen vergeblichen Versuchen anderweitig wieder ein Jazzfestival mit deutlich überregionaler Ausstrahllung in der Frankenmetropole zu etablieren, scheint mit diesem neuen Veranstaltungskonzept geglückt zu sein. Mit einer cleveren Mischung aus international bekannten Acts und regionalen Größen, Stars und Nachwuchs, aus Altbekanntem und jungen, frischen Ideen hat der Jazzmusiker-Verein als Veranstalter offenbar den richtigen Dreh gefunden.

Omer Klein am Flügel. Foto: Michael Scheiner
Omer Klein am Flügel. Foto: Michael Scheiner

Das zeigte sich auch daran, dass alle Konzerte – mehrere waren ausverkauft – an den vier Tagen überdurchschnittlich viele jüngere Zuschauer und Hörer hatten. Schon im Vorfeld starteten die Veranstalter in Stadtteil- und Kinderzentren kleine Konzerte und Mitmachaktionen, um Kinder mit Jazz vertraut zu machen und Älteren die Scheu davor zu nehmen. Die meisten Konzerte fanden dann in der wenige Tage zuvor eröffneten Kulturwerkstatt auf AEG, einem exquisit gut gelungenen Umbau eines Industriegeländes statt. Musikalisch griff der in Köln lebende Bassist Markus Schieferdecker mit seiner neuen Band „Asteroid 7881“ nach den Sternen. Der namengebende Kleinplanet ist nach einem Vorfahr des gebürtigen Nürnbergers, dem Kirchenmusiker Johann Christian Schieferdecke, benannt, ein Zeitgenosse Bachs. Mit seinem leicht schwebenden Fusionsound umkreiste der Bassist atmosphärisch und thematisch Asteroiden. Danach brachte der quirlige, israelische Pianist Omer Klein das bunt gemischte Publikum  mit „meinen größten Hit“, der Komposition „Yemen“, erstmals zum Rasen. Unter seinen gelenkigen Fingern begann der Flügel in dem kleinen Konzertsaal zu tanzen, als er mit  Haggai Cohen-Milo (bass) und Amir Bresler (drums) eine energiegeladene Improvisation nach der anderen startete.

Andreas Schaerer vom Rom-Schaerer-Eberle-Trio. Foto: Michael Scheiner
Andreas Schaerer vom Rom-Schaerer-Eberle-Trio. Foto: Michael Scheiner

Transalpin war das Stichwort für das mit zwei Wienern und dem Schweizer Vokalartisten Andreas Schaerer besetzte Trio Rom-Schaerer-Eberle. Mit ihren ebenso humorvollen, poetischen, wie krachend-bunten Stücken sorgten sie für staunende Gesichter und vergnügtes Grinsen vor allem bei jungen Besuchern. „Soviel Jazz habe ich noch nie am Stück gehört“, stöhnte ein Besucher mittleren Alters gegenüber seinen Begleitern in einer   Umbaupause. Allerdings strafte seine strahlende Miene den verbalen Stoßseufzer nachgerade Lügen. Einen Blick zurück in die Zeit des Jazzrock und Fusionsounds unternahm am zweiten Tag des Familienunternehmen „Dauner & Dauner“.  Wolfgang Dauner, erst kürzlich als einer „der vielseitigsten Jazzpianisten und -keyboarder unserer Zeit“ mit einem Sonderpreis des Jazzpreis` Baden-Württemberg für sein Lebenswerk geehrt, spielte mit seinem trommelnden Sohn Florian Stücke aus seinem reichhaltigen Oeuvre, wie das gebetsmühlenartige „Raga Yagapriya“. Die hymnische Energie John Coltranes liess der junge Altsaxofonist Jan Prax mit seinem Quartett in eigenen Kompositionen aufleben, die zwischen Post-Hardbop, Modern und modernen Elementen angesiedelt sind. Frisch und originell auch das niederländische Trio „Tin Men And The Telephone“ mit einem Mix aus neuen Medien und humorvoll groovendem Jazz und das Quartett „Twi-Life“ des fantastischen Saxofonisten Marcus Strickland aus New York.

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