Auf dem Rücken einer nachtblauen Katze schläft ein grün-gelber Mann. Er trägt eine Augenlarve und ist mit einer blauen Decke bedeckt. Das surreale Bild des südafrikanischen Künstlers Norman Catherine bezieht sich auf den Titelsong von Carlo Mombellis neuem Album „I Press My Spine to the Ground“. Gleichzeitig korrespondiert es auf geheimnisvolle Weise mit der dunklen, stark vom Sound geprägten Musik des Bassisten. Orakelhaft lenkt Glockengeläut in der einleitenden Kollektivimprovisation (Bells of Gitschenen) die Ohren auf einen Klangpfad voller Uneindeutigkeit und tastend-versponnener Voodoo-Sinnlichkeit. Almvieh-Abtrieb im Gebirge? Der Ruf zum Gebet? Oder Warnung vor der abgründigen Intensität kreativer Freigeisterei? Es bleibt offen, auch wenn der Dreiklang am Schluss des Sechs-Minuten-Stücks zum titelgebenden, nachdenklichen Song überleitet. Brenda Sisane steuert darin als Gastmusikerin ein stark spirituell gefärbtes, poetisches Spoken-Word-Stück bei. Auch wenn musikalisch scheinbar wenig passiert, das Quartett mit Mombellis langjährigen Partnern Kyle Shepherd (piano), Kesivan Naidoo (drums) und Mabuso Khoza (voice) verhalten, fast somnambul kurze Klangeruptionen, melancholisch-verträumte melodische Schnipsel und afrikanische Erhabenheit erzeugt, gelingt mit dem Wenigen ein kaum fassbare Intensität und emotionale Dichte. Hymnische Kraft und dunkel leuchtendes Pathos gipfeln in „Picasso´s Dove“, eine musikalische Referenz an die weltweit verbreitete Zeichnung mit dem Friedenssymbol von Pablo Picasso. Mit dem federleichten, klangmalerischen „Hymn/Joni“ erinnert der Südafrikaner mit dem großen Ton auf seinem Instrument an die große Singer-Songwriterin Joni Mitchell.
Der großartige Bassspieler und höchst elegante Stilist hat eine Professur an der Uni in Johannisburg, wo er 2009 seinen Doktor in Komposition erwarb. Wenn er nicht gerade Musik für Ballette oder Auftragswerke für das „Stockholm Saxophone Quartet“ oder das amerikanische Streichquartett „Ethel“ schreibt oder unterrichtet, tourt er durch seine Heimat oder ist in Europa, wo er lange lebte, mit befreundeten Musikern unterwegs. Während seiner Jahre in Europa – lange Zeit in München – hat Mombelli mit Egberto Gismonti, Charlie Mariano, Mick Goodrick, Jeroen van Vliet und Lee Konitz gespielt und aufgenommen. 1989 war er an einem Tribut-Album für Jaco Pastorius beteiligt. Die Bewunderung für diesen Ausnahmemusiker ist bis heute in Mombellis virtuosem Spiel zu erkennen. Dreimal war er für dem South African Musik Award (SAMA) nominiert. Mit „I Press My Spine to the Ground“ hat er beste Voraussetzungen die dem Grammy vergleichbare Auszeichnung endlich auch zu erhalten. In den berührenden Kompositionen fliessen eine Art freier Improvisation, Spurenelemente elektronischer Sounds, melodische Momente und eindringliche Klangformen ineinander. Sie verbinden sich mit Einflüssen afrikanischer Musik, Poesie und freiem Puls, weitab gewohnter Grooves, zu einer Intensität, die manchmal an Dollar Brand/Abdullah Ibrahim erinnert. Eines der interessantesten und schönsten Alben aus Afrika der letzten Jahre.
Michael Scheiner
Carlo Mombelli
I Press My Spine to the Ground
Mombelli Music
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