Der Ort war so ungewöhnlich, wie Zeit und Anlass. Ein Jazzkonzert mitten am Nachmittag im Foyer der Universitätsbibliothek. Ein Novum und ein Versuchsballon, der – soviel schon vorweg – abgehoben hat. Chris Gall und Andreas Dombert spielen seit zwei Jahren zusammen und haben bisher ein gemeinsames Album veröffentlicht, schlicht „Duo“ betitelt. Die Besetzung mit zwei Akkordinstrumenten, Klavier und Gitarre, ist nicht gerade alltäglich, deshalb aber auch besonders reizvoll. Musikalisch liegt der besondere Akzent des perfekt aufeinander eingestimmten Gespanns in einer konsequenten Überschreitung herkömmlicher Stil- und Genregrenzen. Vor allem der Einfluss aus dem musikalischen Minimalismus, der Minimal Music, ist dabei unüberhörbar.
Ein Flügel, verstärkt über ein Mikrofon, eine Jazzgitarre und ein kleiner Verstärker mit zwei Lautsprechern. Darum herum ein paar Stühle, die bei Konzertbeginn fast alle besetzt waren. Mehr war nicht nötig für ein spannendes Konzert. Zwischen einer impressionistischen, lyrisch-verhaltenen Stimmung und einem brausenden Orkan hereinbrechender Akkorde entfachten die beiden ein musikalisches Wetterleuchten, das es in sich hatte. Mit der Begrüßung durch Professor Dr. Katelijne Schiltz vom Institut für Musikwissenschaft wurde auch klar, wie es zu dem musikalischen Ereignis gekommen ist. Als Student bei Professor Dr. Schiltz gestaltete Dombert ein Referat über Minimal Music mit praktischen Beispielen aus. Sein musikalischer Duopartner leistete ihm dabei Unterstützung. Diese Gelegenheit ließ die Prodekanin nicht ungenutzt verstreichen und vereinbarte mit den beiden den ersten Auftritt im Ambiente intellektueller Belesenheit. Damit wollte sie auch ihren Studenten die Möglichkeit bieten, zeitgenössische Musik zu erleben, in der Komposition und Improvisation in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.
Bereits beim ersten Stück, „Seven Drops“, einer Komposition Domberts von gemeinsamen Duo-Album, kamen beide Elemente zum Tragen. In Galls „The Puppeteer“ vollführte der Puppenspieler melancholisch verträumt seine lyrischen Zauberstücke in einem zärtlich-liedhaften Wirbel voller Poesie. Aus dieser schweifenden Stimmung holte einen das originelle „Lament of a Single Note“ in die Wirklichkeit zurück. In seiner Ansage äußerte Dombert heftiges Mitleid, würde doch die Klaviertaste „mit dem A ungefähr 1513 Mal angeschlagen“, erläuterte er. Beruhigend schränkte er ein: „Aber der Flügel hält das aus, er ist ja frisch gestimmt worden“ und grinste dabei schelmisch. Tatsächlich nimmt Gall den witzigen Titel wörtlich und hämmerte endlos auf die Taste ein. Damit entfaltete er im rasanten Zusammenspiel mit Domberts aufputschender Gitarre eine hypnotisch-packende Stimmung. Diese haftete auch der zarten, formelhaften Solonummer „Empty, Pale Blue Paper“ an. In dieser magnetischen Komposition setzte Gall Formelemente des Minimal wie sich kräuselnde Wellen mit großer Wirkkraft ein. Aus diesem Soloprogramm, das sowohl gelegentlich an den Soundmagier Ludovico Einaudi, als auch an den rauheren Michael Nyman erinnert, hätte man gut und gern noch etwas mehr hören können. Vielleicht lässt sich die Veranstaltung im nächsten Semester mit weiteren Konzerten fortsetzen – und der exzellente Pianist kann mehr aus seinem Soloalbum vorstellen. Zum Abschluss des Premierenkonzerts tobte sich Andi Dombert in einer komprimierten Version seiner, im Original knapp zehnminütigen „Suite“ auf seiner Gibson noch einmal richtig aus. Ein gelungener Auftakt, dem hoffentlich weitere Konzerte folgen werden.
Von Michael Scheiner
Info: www.duo-dombert-gall.com/, Album „Duo“ (Acoustic Music, 2014); Chris Gall solo „Piano Solo“ (GLM Music, 2015)