Jazz+ Festival: zwischen herzigen Terzen und freien Improvisationen

Trio Lauer-Westergaard-Smith. Foto: Benedikt Lauer
Trio Lauer-Westergaard-Smith. Foto: Benedikt Lauer

Vier Konzerte an zwei Abenden, mal frei improvisiert, mal mit herzigen Terzen: das PLUS ist Programm beim Jazz+ Festival.

Jazzmusiker, die das Programm für eine Konzertreihe oder ein Festival zusammenstellen, das klingt nach optimaler Lösung: Die wissen, was interessant ist und kennen sich aus in der Szene. Wenn’s gut geht. Ansonsten buchen sie die immergleiche Seilschaft – soweit sie dem eigenen stilistischen Fokus entspricht. Nichts von alledem bei Jazz+. Seit 1994 gibt es die Reihe in der Schwabinger Seidlvilla, und der Schlagzeuger Martin Kolb wird in Zusammenarbeit mit dem Saxophonisten Ulrich Wangenheim dem Pluszeichen hinter dem „Jazz“ in jeder Hinsicht gerecht: spannende Vielfalt trotz kleinem Budget.

Für ihr „kulturell herausragendes Livemusikprogramm“ gab’s im vergangenen Jahr den Spielstättenprogrammpreis APPLAUS der Initiative Musik, deren Jury sicher auch vom ersten Jazz+ Festival anno 2014 beeindruckt war. Dass es eine zweite Runde geben würde, war nicht geplant, als die Reihe ihr 20jähriges feierte. Aber nun wird die Seidlvilla 25 Jahre alt…

Gefeiert wird erneut mit vier Konzerten an zwei Tagen, die unterschiedliche Akzente setzen. Am Freitag sollte man für freie Improvisation aufgeschlossen sein, obwohl es durchaus auch melodisch zugeht. Der Pianist Achim Kaufmann ist schon seit 1998 mit Michael Moore unterwegs, einem schon lange in Amsterdam lebenden amerikanischen Saxophonisten, dessen Tongebung ein Kritiker als „cool, silky, a bit dry, but not unpleasantly so“ treffend beschrieben hat. Kein Free Jazz (man schätzt auch Kompositionen von Herbie Nichols), aber bei aller kammermusikalischen Intimität doch herausfordernd.

Was nicht weniger für die sich anschließende Berliner Begegnung gilt. Obwohl das Trio mit Johannes Lauer am Saxophon, dem dänischen Kontrabassisten Jonas Westergaard und dem aus Chicago stammenden Schlagzeuger Joe Smith eine gewisse Vorliebe für Spirituals oder Songs von Billie Holiday beweist, ist ihre Herangehensweise eine geradezu Kühne – letzteres zufällig der Nachnahme jener Sängerin, die mit dem Trio nach München kommt. Almuts Soloperformances sind risikofreudig bis an die Grenzen des Machbaren. Ein zauberhaftes Wesen, aber es werden keine Gefangenen gemacht, wenn Almut Kühne das Feld zwischen Kalkül und Chaos, Geräusch und Gesang erkundet. Aufs Zusammentreffen mit dem Trio darf man ebenso hochgradig gespannt sein, wie auf das, was beide je für sich unternehmen.

Am Samstag dann vergleichsweise Eingängiges. „Nautilus“ ist ein Quartett, dessen Rhythm Section die Leipziger Jazzszene entscheidend prägt. Der Bassist Robert Lucaciu hat mit dem Schlagzeuger Philipp Scholz Gäste dabei, die deutlicher auch für Lyrisches stehen: Saxophonist Hayden Chisholm stammt ursprünglich aus Neuseeland, ist Fans von Nils Wograms „Root 70″ vertraut und spielt selbst Abstraktes mit sinnlicher Geschmeidigkeit. Dass Pianist Jürgen Friedrich schon mit Kenny Wheeler gearbeitet hat, spricht für sangliche Tendenzen bei „Nautilus“.

Zum Finale hält kanarienbunter Yeehaw-Spass Einzug, den die Band „Yellow Bird“ an Americana hat, Bluegrass vor allem. Dafür gebärden sich sonst gerne auch sperrige Berliner wie Ronny Graupe (Gitarre) weitgehend genregemäß, obwohl der Kontrabass durch Uli Kempendorffs Bassklarinette ersetzt ist. Herzig in hemmungslosem Terzabstand singen Manon Kahle (Multitalent als Schauspielerin und Illustratorin, ursprünglich aus der Americana-Hochburg Vermont) und die Schweizerin Lucia Cadotsch („Schneeweiss und Rosenrot“), was ihnen aus dem Repertoire der Carter Family oder von Johnny Cash am besten gefällt: „Oh Lonesome Me“.

Klaus von Seckendorff

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