Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, ein Duo-Projekt mit Wadada Leo Smith und Vijay Iyer zu verwirklichen. Iyer musizierte bereits intensiv in Smith’s Golden Quartett und es treffen, im wahrsten Sinn des Wortes, „zwei Brüder im Geiste“, aufeinander.
Der Trompeter Wadada Leo Smith, da war doch schon mal was bei ECM – richtig: bereits 1971 musizierte er gemeinsam mit Manfred Eicher, Marion Brown, Thomas Stöwsand und Fred Braceful „See the music“, festgehalten im gleichnamigen Film von Theo Kotulla. Smith‘s erste ECM Aufnahme aus dem Jahr 1978 „Divine Love“ spielte er ein mit Lester Bowie, Kenny Wheeler, Charlie Haden Dwight Andrews und Bobby Naughton, gefolgt von seinem beeindruckenden Solo Album 1992 „Kulture Jazz“.
Vijay Iyer hat sich mittlerweile hervorragend bei ECM eingelebt und kann auf dem Label offensichtlich seine atemberaubenden kreativen Schübe ausleben und umsetzen.
Aber nun zur Sache: Eine tiefe Verbundenheit zwischen Iyer und seinem „Freund, Helden und Lehrer“ Smith findet sich in der aktuellen ECM Aufnahme „A Cosmic Rhythm With Each Stroke“. Respekt und Weitsicht bestimmen die Kompositionen. So kommunizieren zwei Meister auf Augenhöhe, die allein schon tonal „über den Dingen stehen“. Hier werden melodisch intensive, durchdringende Dialoge präsentiert, die den Hörer auf der musikalischen Reise nicht auf der Strecke lassen, harmonisch immer wieder überraschen und ihm klangvolle Fixpunkte mitgeben. Das Herzstück der Aufnahme bildet die siebenteilige, titelgebende Suite „A Cosmic Rhythm With Each Stroke“, gewidmet der indischen Künstlerin Nasreen Mohamedi. Die Auseinandersetzung mit ihrem Werk, vorrangig ihren Zeichnungen und Schriften, sind mitreißend und haben gleichzeitig etwas Beruhigendes, fast Meditatives, verwoben mit einer eindringlich klanglichen Struktur. So bewegen sich Klavier, gelegentlich flankiert von unaufdringlichen elektronischen Klängen, und Trompete mit weitem durchdringendem Raumgefühl, das in Eicher-typischen Art und der klaren Atmosphäre des New Yorker Avatar Studios produziert wurde.
Den Rahmen für die Suite bilden Iyers Eingangsstück „Passage“ und Smith‘s Schlusskomposition „ Marian Anderson“, einer tiefen Verbeugung vor der großartigen, wegweisenden Opernsängerin. Sie trat 1955 als erste Afroamerikanerin 1955 in der Metropolitan Opera in NYC auf.
Alles in allem eine unglaublich intensive, beeindruckende Aufnahme, die zu gleichen Teilen verzaubert, begeistert und zusätzlich aufmerksam wie neugierig macht auf das Schaffen der leider viel zu früh verstorbenen Ausnahmekünstlerin Nasreen Mohamedi.
Vijay Iyer & Wadada Leo Smith: A Cosmic Rhythm With Each Stroke
ECM 2486 CD 6025 4769956 (5)
Thomas J. Krebs