Das April Jazz Festival in Tapiola (Finnland): ein Bericht mit Bildern

José James Quartet, José James (voc), Takeshi Ohbayashi (keys), Solomon Dorsey (b), Joe Blaxx (dr), April Jazz Festival, Espoo Finland, Foto Ralf DombrowskiText und Fotos von Ralf Dombrowski – Ein Konzert wie das mit Ray Charles wäre heute nicht mehr möglich, meint Matti Lappalainen. Damals in der späten Neunziger gab es Sponsoren, außerdem eine Sporthalle, die man verwenden konnte, und überhaupt war einiges anders. Aber auf der anderen Seite gibt es keinen Grund zum Jammern. Das April Jazz Festival in Tapiola, dem Kulturstadtteil von Espoo, geht in sein 30. Jahr, ein Wunder, dass es überhaupt soweit kam, denn die Entstehungsgeschichte ist kurios genug. Mattis Vorgänger als künstlerischer Leiter, ein Big Band Enthusiast mit dem fast gleichen Namen Martti Lappalainen, hatte in den Achtziger angefangen, sein Jazz Orchester zu pushen und außerdem Leute in die zweitgrößte Stadt Finnlands einzuladen. Englisch konnte er kaum, geschafft hat er es trotzdem, dass die Espoo Big Band bald schon in Montreux auf der Künstlerliste stand und darüber hinaus Koryphäen von Dave Brubeck bis Chick Corea sich an die nördliche Ostseeküste begaben.

Und so hat das Kulturzentrum von Tapiola bis heute eine Attraktion, die es nur mit wenigen anderen Orten in Finnland teilt: ein eigenes und traditionsreiches Jazzfestival. Zum Jubiläum hat Lappalainen so weiter gemacht, wie er es seit einigen Jahren praktiziert, und Bands eingeladen, die einerseits über den Mainstream des Jazz hinausreichen, aber trotzdem noch Leute in die Säle locken. Robert Glasper zum Beispiel gab sich mit seinem Experiment-Quartett die Ehre. Zusammen mit bunten Vögeln wie dem Saxofonisten und Sänger Casey Benjamin und wuchtige groovender Rhythmusgruppe stellte er ein Programm vor, das wie eine Reinkarnation von George Duke, stilistisch gesehen, und Defunkt in puncto Feeling wirkte. Keine Offenbarung, aber am Puls der Zeit und für Momente, wenn Glasper den Rest der Gruppe sich zurückhalten und dem Keyboard mehr Raum ließ, ein Klangkonzept, das den urban jazzigen Sound der Gegenwart repräsentierte.

Andere Bands gingen auf unterschiedliche Weise mit dem Erbe um. Der Organist Joey De Francesco etwa beendete seine Europatournee beim April Jazz mit einer humorvoll modern swingenden, zuweilen ins Soulige kippenden Dernière, die vor allem auf der mitreißenden Kommunikation der musikalischen Partner basierte. Die Gastgeber der Espoo Big Band dekonstruierten mit viel anarchischer Klangenergie des Konzept des Jazzorchestralen und kombinierten das große Ensemble mit drei elektrischen Gitarren, Teremin und allerlei weiteren ungewöhnlichen Strukturelementen. Wunderbar auch das Konzert des Sängers José James, der sich ebenfalls auf seine souligen Wurzeln besann, darüber hinaus aber eine Mischung aus Spoken Word und Hiphop hinzufügte, woraus sich eine immens präsente Mixtur aus Clubsound und jazziger Verankerung ergab. Matti Lappalainen kann daher zufrieden sein. April Jazz ist weiterhin im Rennen, das nächste Jahrzehnt kann kommen.

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