Emil Mangelsdorff (90) als Gastsolist – Zum 14. Mal kam die Peter Herbolzheimer European Jazz Academy im vergangenen Dezember zu ihrer jährlichen Probenphase zusammen. Seit drei Jahren ist ihr Gastgeber die Landesmusikakademie Hessen auf Schloss Hallenburg in Schlitz bei Fulda. Sie liegt relativ zentral in Deutschland – und nicht zuletzt Europa – und Fulda ist ICE-Bahnhof. Dadurch bleiben die Fahrtkostenbelastungen für alle Beteiligten im erträglichen Rahmen. Zusammen mit den dreißig Teilnehmerinnen und Teilnehmern reisten vier Dozenten nach Schlitz, darunter die langjährigen musikalischen Weggefährten Peter Herbolzheimers Bruno Castellucci am Schlagzeug, Trompeter Jan Oosthof – beide Urgesteine der Rhythm Combination & Brass (RC&B) – sowie Thomas Stabenow am Bass, aber auch Hubert Nuß, erster Pianist des im Jahre 1988 gegründeten und von Peter Herbolzheimer über zwanzig Jahre lang geleiteten Bundesjazzorchesters.
Die künstlerische Gesamtleitung lag wie immer in den bewährten Händen von John Ruocco, dem us-amerikanischen Tenorsaxophonisten und Klarinettisten und Wahl-Niederländer und Erik van Lier, Bassposaunist ebenfalls aus den Niederlanden. Beide gehörten ebenfalls viele Jahre der RC&B an. Die Tage vom 30. November bis zum 6. Dezember waren gefüllt mit intensiven Satzproben und Rhythmusgruppentraining, mit Einzelunterricht und in wesentlichen Teilen des Stundenplans mit Tutti-Proben auf der Bühne des Konzertsaales der Musikakademie. Diese gingen durchweg nicht vor 22 Uhr zu Ende.
Hier wie auch bei den anschließenden Sessions im Schlosskeller zeigten die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, aber auch nicht wenige der teilnehmenden Grey Hairs nur geringe Ermüdungserscheinungen. Die Trompeter hielten es – wie oft zu beobachten ist – wieder einmal am längsten aus.
Dabei war das ausgesuchte Probenprogramm höchst anspruchsvoll und stellte hohe Anforderungen an den instrumentalen Einsatz einer jeden und eines jeden. Das Repertoire spannte den großen Bogen über das gesamte musikalische Schaffen Peter Herbolzheimers von der Gründung der RC&B 1969 bis zu den ersten Jahren nach 2000. Auf den Notenständern standen Kompositionen und Arrangements wie Hip Walk, Pacific Rainbow, Sally „O“, Filibuster und viele andere.
Erster Höhepunkt der Dezember-Academy war ein Auftritt in der Kulturhalle von Wolfhagen bei Kassel, wo sich das Erprobte vor einem etwa hundertfünzigköpfigen Publikum bewähren musste.
Am letzten Tag der Bigband-Academy reiste Emil Mangelsdorff an, inzwischen 90 Jahre alt geworden, aber auf dem Altsaxophon jung wie und je, die Ausdrucksformen von Bebop bis Post-Bop glänzend beherrschend.
Ihm wurde in einer vormittäglichen Feierstunde durch Boris Rhein, den in Hessen zuständigen Minister für Wissenschaft und Kunst, die Ehrenprofessur des Landes Hessen verliehen; ebenso wurde Emil Mangelsdorff zum Namensgeber eines Probensaals im Schloss ernannt. Die Peter Herbolzheimer European Jazz Academy umrahmte die Feierstunde musikalisch.
Zum abendlichen Abschlusskonzert spielte Emil Mangelsdorff als Gastsolist Sally „O“, Peter Herbolzheimers berühmtes Feature für Altsaxophon, sowie Horace Silvers „Nica’s Dream“ zusammen mit der Band, natürlich in einem Arrangement von Peter Herbolzheimer.
Die 14. Herbolzheimer-Academy wurde finanziell ermöglicht durch eine Zuwendung des hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, durch die Louis-Spohr-Stiftung und durch die Landesmusikakademie.
Im Januar im neuen Jahr traf sich die aktuelle Bigband der Academy in Köln, um ein Konzert zur Erinnerung an Peter Herbolzheimer in seiner Heimatstadt geben. Hier hat er viele Jahre bis zu seinem Tod am 10. März 2010 gelebt. Er liebte diese Stadt und erfreute sich stets am Fernblick, den er aus seiner Wohnung im 20. Stockwerk genießen konnte.
Das Konzert fand im „Alten Pfandhaus“ am Chlodwig-Platz statt – in Anwesenheit seiner Frau Gisela, die in einer kleinen Talk-Runde Pianist Peter Ortmann Auskunft gab über spannende, aber auch zum Schmunzeln anregende Erlebnisse mit Peter Herbolzheimer. Anwesend war auch Dominik Seidler, als Projektleiter des BuJazzO Nachfolger von Peter Ortmann bei der Deutscher Musikrat gGmbH.
Am Tag danach fuhr die Band nach Wipperfürth, einem kleinen Städtchen im Bergischen Land, mit einer sehr aktiven und von den Brüdern und Jazzmusikern Thomas und Rolf Fahlenbock geleiteten Musikschule und einer ebenso aktiven Jugendbigband unter der Leitung des Ex-BuJazzO-Trompeters Ralf Hesse. Ort des Gastspiels war das Kulturzentrum „Alte Drahtzieherei“ im frühindustriellen Ambiente – eine inspirierende und jazz-affine Spielstätte.
Im Jahre 2016 wird mit der 15. Herbolzheimer-Academy ein kleines Jubiläum gefeiert werden können. Sie findet vom 5. bis zum 11. Dezember 2016 wiederum in der Landesmusikakademie Hessen in Schlitz statt.
Der offen angelegte Bigband-Workshop ist ausgewiesen für alle Bigband-Instrumente und ebenso für Sängerinnen und Sänger, die ein „Close-Harmony-Vocal-Ensemble“ bilden werden, sowie für Latin-Percussion. Die Teilnahmegebühr beträgt 250 € für junge Leute und 750 € für „Grey Hairs“. Darin enthalten sind Unterricht, Proben sowie Unterbringung und Vollverpflegung – inkl. Kaffee und Kuchen.
Interessenten können sich ab sofort unter mail@europeanjazzacademy.org melden.
© Dr. Peter Ortmann