Das Jazzfest Berlin 2015 präsentiert mit dem neuen künstlerischen Leiter Richard Williams vom 5. bis 8. November über 120 Musiker/-innen aus 5 Kontinenten. Das Festivalprogramm ist jetzt online und der Kartenvorverkauf startet. Wir verlosen in Kooperation mit dem Jazzfest 2×2 Karten für Freitag, den 06.11.15, 20:00 Uhr, Haus der Berliner Festspiele – Große Bühne – The Keith Tippett Octet „The Nine Dances Of Patrick O’Gonogon” & Miguel Zenón Quartet „Identities Are Changeable“. Bitte schicken Sie bis 20. Oktober eine Mail an gaisa@jazzzeitung.de mit dem Betreff „Jazzfest Berlin“ und unter Angabe Ihrer Postadresse. Das folgende Interview mit Richard Williams führte Ralf Dombrowski und wird auch in der kommenden Print-Ausgabe der neuen musikzeitung 10-15 zu lesen sein.
Richard Williams versucht sein Glück. Und er hat gute Voraussetzungen. Hierzulande kennt man den 68-jährigen Briten kaum, auch wenn er Bücher über Miles Davis oder Bob Dylan geschrieben hat und den angesehenen Insider-Blog thebluemoment.com betreibt. Außerdem startet er mit neuem, verjüngtem Team in die Zukunft der Berliner Jazztage. Viel Freiheit also für ein Festival mit großer Tradition.
neue musikzeitung: Herr Williams, wie wurden sie in Deutschland empfangen?
Richard Williams: Ich verstehe die Leute gut, die überrascht waren, dass jemand kommt, der die vergangenen zwei Jahrzehnte vor allem über Fußball geschrieben hat. Aber auf der anderen Seite habe ich seit rund fünfzig Jahren mit Jazz zu tun. In Berlin war ich zum ersten Mal 1969 bei den Jazztagen und hatte daher eine Ahnung von der historischen Dimension des Festivals. Insgesamt bin ich sehr freundlich und warmherzig empfangen worden. Ich habe viel Zeit damit verbracht, mehr über die Berliner Musikszene zu lernen, auch weil mir viel daran liegt, die Verbindung zwischen dem Festival und der schöpferischen Community zu festigen.
nmz: Berlin 1969 war ein anderes Pflaster …
Williams: Ich hatte Joachim-Ernst Berendt kennengelernt. Wir freundeten uns an, ich bewunderte seine Arbeit, und es war schnell klar, dass sich die Berliner Jazztage deutlich von anderen Festivals unterschieden. Sie waren abenteuerlustiger als andere, und als ich gefragt wurde, ob ich die Rolle als Künstlerischer Leiter übernehmen wolle, habe ich lange überlegt. Ich hatte so etwas noch nie gemacht, aber das Jazzfest ist zugleich die einzige Veranstaltung dieser Art, die mich reizt. Ich will kein Museum für Vergangenes kuratieren, es geht um die Gegenwart, die Zukunft dieser Musik.
nmz: Wird es nun mehr britische Künstler auf der Berliner Bühne geben?
Williams: Nicht zwingend. Meine erste Intention ist es, Musik von überall nach Berlin zu bringen, die ich selbst aufregend finde und von der ich meine, dass es dem Publikum genauso gehen könnte.
nmz: Nicht nur die künstlerische Leitung hat sich verändert …
Williams: Letztes Jahr habe die letzte Ausgabe erlebt, zu der noch Ihno von Hasselt gehörte. Dieses Jahr ist das Team neu, wir starten in die zweite Jahrhunderthälfte, und das nicht mit weiteren Geburtstagsfeiern oder Tributes. Wir wollen zeigen, wo die Musik jetzt steht und wo es hingehen könnte.
nmz: Was sind die Herausforderungen?
Williams: Jazz kann durch Eigenschaften wie Spontaneität oder Improvisation viele andere Künstler anstecken und in veränderter Form zurückgeben, was er selbst in seiner Geschichte an Einflüssen erlebt hat. Am letzten Abend beispielsweise haben wir den „Diwan der Kontinente“ auf der Bühne, ein Ensemble mit Musikern vieler Kulturen. Sie spielen Instrumente ihrer Welten, als neue Verbindung unter dem Dach des Jazz. Es ist eine Weltpremiere, wird drei Tage lang im Jazz-Institut erarbeitet, so dass auch die Studenten etwas davon haben.
nmz: Also mehr Berlin auf der Bühne?
Williams: Berliner Musiker sollten durchaus vom Festival unterstützt werden und nicht das Gefühl bekommen, dass es sich nur um einen Ort für große Namen aus Amerika handelt. Wenn man deutsche oder Berliner Bands einlädt, dann sollte es aber auch etwas sein, was man sonst nicht jeden Tag vor Ort im Club hören kann.
nmz: Und mehr Festival in Berlin?
Williams: Ich sehe es auch als Verantwortung, neues Publikum zu erreichen und Menschen zu motivieren, in das Haus der Festspiele nach Wilmersdorf zu kommen. Ich will aber das Jazzfest nicht auf die ganze Stadt ausdehnen, sondern den Menschen klarmachen, dass sie das Festival auch betrifft, wenn sie in anderen Vierteln wohnen und sich auf den Weg machen.
Im Festivalprogramm präsentiert der neue künstlerische Leiter Richard Williams Künstler*innen aus unterschiedlichen Generationen und 30 Nationen, die eines miteinander verbindet: der Impuls zur Vorwärtsbewegung und Veränderung – „On the Move“. Den Rahmen des viertägigen Festivals bilden die Auftritte zweier Großformationen, die musikalisch den „Rahmen“ des Jazz sprengen: Zur Festivaleröffnung am 5. November im Haus der Berliner Festspiele wird das von Musiker*innen der Berliner Echtzeitmusik-Bewegung gegründete Splitter Orchester ein neues Werk des amerikanischen Komponisten George Lewis aufführen. Im Abschlusskonzert am 8. November spielt das Ensemble Diwan der Kontinente, das in Berlin lebende Musiker*innen vieler Nationen und unterschiedlichster Musiktraditionen von arabischer bis asiatischer Herkunft vereint.
Drei herausragende Bandleader sind beim Jazzfest Berlin 2015 zu Gast, die mehrere Jahrzehnte Musikgeschichte verkörpern, aber immer wieder mit neuen Projekten überraschen: der Saxofonist Charles Lloyd aus den USA mit seiner Suite „Wild Man Dance“, der britische Pianist Keith Tippett mit seinem Stück für Oktett „The Nine Dances of Patrick O’Gonogan“ und schließlich der Schlagzeuger Louis Moholo-Moholo aus Südafrika mit Musikern der jüngeren Generation im Quartett.
Zahlreiche erfolgreiche junge Jazzmusiker*innen sind zu erleben: der französische Akkordeonist Vincent Peirani mit seinem jüngsten Projekt „Living Being“; aus den USA reisen an die Sängerin Cécile McLorin Salvant und der Trompeter Ambrose Akinmusire; der armenische Pianist Tigran Hamasyan und der Saxofonist Miguel Zenón aus Puerto Rico erweitern den musikalischen Horizont. In der Akademie der Künste treten auf: Dylan Howe aus England mit einer Suite nach Instrumentalstücken von David Bowie aus dessen Berliner Zeit in den 70ger Jahren sowie die 11-köpfige Band Large Unit um Schlagzeuger Paal Nilssen-Love aus Norwegen. Ebenfalls aus Norwegen stammt das Trio Lumen Drones mit dem Hardangerfiedel-Virtuosen Nils Okland, das die Seitenbühne im Haus der Berliner Festspiele bespielt. Außerdem agiert hier – auch zu später Stunde – die junge Trompeterin Laura Jurd aus London mit ihrer Band.
Im A-Trane präsentiert das Festival junge Klaviertrios, die neue Facetten dieser klassischen, aber so flexiblen Formation zu Gehör bringen. Mit dabei das Julia Kadel Trio aus Deutschland, das Trio um den italienischen Pianist Giovanni Guidi, und Plaistow, ein Klaviertrio aus der Schweiz. Statt eines Pianos hat das australische Trio The Necks die Orgel als drittes Instrument erwählt und spielt auf der Empore der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in einem Nachmittagskonzert am Samstag, den 7. November.
Zum Rahmenprogramm des Festivals gehört in diesem Jahr die Filmvorführung von „Charles Lloyd: Arrows Into Infinity“ (2012), ein bemerkenswertes Filmporträt mit Interviews von Musikgrößen wie Herbie Hancock, Jack DeJohnette, Robbie Robertson und vielen anderen. Außerdem werden zwei Künstlergespräche stattfinden: am 5. November um 18.00 Uhr mit Julia Kadel und Émile Parisien; am 8. November um 18.00 Uhr mit Cymin Samawatie und Alexander Hawkins, jeweils in der Kassenhalle im Haus der Berliner Festspiele.
Am Freitag, 6. November um 17.30 Uhr, wird im Rahmen des Jazzfest Berlin 2015 der Albert-Mangelsdorff-Preis der Union deutscher Jazzmusiker an den Pianisten Achim Kaufmann verliehen. Anmeldung erbeten unter: Anmeldung2015@albert-mangelsdorff-preis.de
Das Jazzfest Berlin 2015 findet wieder unter Beteiligung der ARD Hörfunkstationen und des Deutschlandradio statt, die das Festivalgeschehen mit Live-Übertragungen und Konzert-Mitschnitten begleiten. Jazzfest Berlin im Radio
Spielorte: Haus der Berliner Festspiele, A-Trane, Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche und Akademie der Künste.
Kartenvorverkauf: startet am 25. September um 14.00 Uhr www.berlinerfestspiele.de/tickets oder +49-30-254 89 100.
Kartenpreise von 10 bis 55 Euro