Wie die sächsische Landeshauptstadt Dresden mit einem Kleinod des Jazz umgeht: Bei Problemen wird dicht gemacht! Erst steht der Dresdner Jazzclub Tonne im Regen, weil das Gebäude undicht ist. Daraufhin wird die Spielstätte dicht gemacht (und nicht etwa abgedichtet). Weil das alles nix hilft, werden die Veranstalter auf die Straße gesetzt. Merke: Dresden will Kulturhauptstadt werden.
Gut, im Jazz kann Ironie ein wirksames Mittel sein, um musischen Gemeinsinn von Interpreten und Publikum kräftig zu schärfen. Beim Dresdner Jazzclub Tonne e.V. dürften Ironie und Sarkasmus jetzt erst einmal vom Tisch sein. Da sind Trauerarbeit angesagt und das Hoffen auf Rettung in letzter Not. Und im Rathaus der Landeshauptstadt gab es bislang ohnehin keine Anzeichen für feineren Hintersinn. Da wurden Probleme, wenn überhaupt, dann eher ausgesessen. Das haben sie vom Kohl gelernt!
Wenn die Probleme aber ins Geld gehen, dann wird urplötzlich gehandelt. Schluss mit der Improvisationskunst! So auch im ansonsten so unbeweglichen Dresden. Zum 31. August ist dem mehrfach mit dem Spielstättenprogrammpreis der Bundesregierung ausgezeichneten Jazzclub gekündigt worden. „Ordentlich“ und „fristgemäß“, wie es in einem Schreiben des Liegenschaftsamtes heißt. Unmittelbar danach sollte die Herbstsaison starten, für die schon zahlreiche Konzerte gebucht worden sind.
Bürokratie in Aktion
Die Stadt als Vermieter will mit diesem Schritt weitere Schadensersatzforderungen vermeiden, nachdem es schon wegen eines Wassereinbruchs infolge von Starkregen Mitte Juni zu heftigen Schäden gekommen war. Ein Flügel ist hin, auch die Elektrotechnik ist in Mitleidenschaft gezogen worden. So etwas soll nicht wieder vorkommen – also wurde den von eindringendem Regenwasser gebeutelten Jazz-Veranstaltern der Tonne nun mit bürokratischer Trockenheit der sprichwörtliche Stuhl vor die Türe gestellt. Um sie aufs Trockene zu setzen?
Dresdens Jazzclub Tonne befindet sich just im Kellergewölbe unter dem Kulturrathaus der Stadt. Von dort ansässigen Kulturamt habe es Unterstützung gegeben, nicht aber vom Vermieter, dem städtischen Liegenschaftsamt. Dem sind die Probleme seit Jahren bekannt. Bereits 2012 hatte es ein Provisorium über der Tonne aufgebracht, das laut Hersteller zwei Jahre lang Schutz bieten sollte. Es hat immerhin drei Jahre gehalten.
Nun hoffen die Tonne-Leute um Geschäftsführer Steffen Wilde und Vereinsvorsitzenden Helmut Gebauer erneut auf ein solches Provisorium, doch damit will oder kann die Stadt angeblich nicht dienen. Sie ließ zu den Ursachen für den Wassereintritt verlautbaren, „gemäß der aktuellen gutachterlichen Stellungnahme vom Februar 2015 sind diese darin begründet, dass aufgrund der vorhandenen Deckenrandverformungen kein wasserdichter Wandanschluss hergestellt werden kann“ – ein Wortlaut wie aus dem Bilderbuch Jazz! Will das nicht mal jemand vertonen?
Die Leute im Tonne-Verein haben derweil anderes zu tun. Als vorletzten Ausweg wandte man sich inzwischen mit der Bitte um ämterübergreifende Hilfe an dem amtierenden Oberbürgermeister. Der wolle sich nach seinem Sommerurlaub im August darum kümmern, habe aber die in Frage kommenden Geschäftsbereiche der Stadt bereits angewiesen, nach einer neuen Spielstätte oder einer Interimslösung für den Jazzclub zu suchen.
Solidarität erfuhren die Jazzer von verschiedenen Dresdner Kultureinrichtungen, die ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellen wollten. Allerdings kommt für einen etablierten Jazzclub solch ein Tingeln an unterschiedlichen Bühnen nur bedingt in Frage. Für die rund 120 Konzerte pro Jahr braucht der Verein eine feste Adresse. Voraussichtlich im Jahr 2017 bekommt er sie im sogenannten Kulturkraftwerk Mitte, einer Großbaustelle, auf der gegenwärtig neue Spielstätten für die Staatsoperette und das Theater der Jungen Generation errichtet werden. Wie der Jazzclub Tonne e.V. bis dahin „überwintern“ soll, ist derzeit völlig offen.
Dass die dauerhaft feuchten Grundmauern freilich auch für das Kulturrathaus nicht zuträglich sind, wurde in diesem Zusammenhang noch gar nicht thematisiert. Wird das in Dresden erst dann relevant, wenn das Wasser wirklich bis zum Hals steht?