Text und Fotos von Ralf Dombrowski – Ab der siebten Oktave wird die Obertonreihe chromatisch. Gut zu wissen für Blasinstrumente ohne Ventile, aber kaum zu spielen, vor allem, wenn es sich bei dem Teil um ein Alphorn handelt. Tatsächlich beherrschen nur wenige Musiker weltweit überhaupt das chromatische Agieren am Alphorn, und zwei davon gaben sich am Wochenende am Achensee im Kronthaler beim Alpenjazz Festival die Klinke in die Hand. Der eine heißt Johannes Bär und war als Teil des Trios Random/Control des österreichischen Pianisten David Helbock zu Gast. So wortkarg er am Tresen sich an der Konversation beteiligte, so eloquent war er auf der Bühne und erwies sich als ein Souverän sämtlicher Brass-Instrumente, dessen Kosmos sowohl die Derivate der Volksmusik als auch die verschiedenen Stilexkurse von Thelonious Monk bis Hermeto Pascoal umfasste. So wie Bär nahmen auch seine Partner Helbock mit Klavier, Percussion und Electronics und Andi Broger mit diversen Klarinette und Saxofonen reichlich Instrumente zur Hand, um ihre wild strukturelle und ungemein virtuose Mischung der Einflusslinien kreativ zu entfalten.
Der zweite Brass Gigant hieß Matthias Schriefl. Er griff von der Königstuba bis zum Alphorn zu diversen Varianten der Instrumentenfamilie und empfahl sich in zwei Projekten darüber hinaus auch als inspirierter Improvisator und sperriger Humorist aus dem Geiste des Musikantischen. Ein Konzert brachte ihn mit dem Streichtrio Netmakisum aus der Steiermark zusammen, drei Musikerinnen mit ähnlichem Spaß an der Relativierung von gestalterischen Gewohnheiten, wie er ihn selbst hatte. Das andere war eine Premiere der Zusammenarbeit mit dem Tiroler Pianisten Christian Wegscheider, dessen pointiert reduzierte Spielweise sich gut mit den Linien der Blasinstrumente ergänzte. In beiden Fällen war die Musik hedonistisch hybrid, eine rasante Mixtur von Einflüssen aus diversen Sphären. Wer bislang zweifelte, dass es so etwas wie Alpenjazz gebe, der konnte am Achensee sich eines Neuen belehren lassen.