Sieben Konzerte in fünf Tagen, das ist kein großes Jazzfestival wie es andere Musikstädte haben, aber ein großartiges. Während das Motto früherer Ausgaben salopp gesagt „USA im Hotel Bayerischer Hof“ hätte heißen können, haben Bookerin Katarina Ehmki und Hotelchefin Innegrit Volkhardt jetzt eine Jazz-Tour du Monde vorgestellt: Nigeria, USA, Brasilien, Frankreich und Israel waren dieses Jahr vertreten. Und dass die gewohnten Salsaklänge am Ende des Festivals entfielen, mag die latinische Tanz-Community Münchens enttäuscht haben, aber nicht die Jazzer: Ein sehr improvisationsfreudiger Al Jarreau gestaltete den Festival-Höhepunkt im ausverkauften Festsaal. Im Vergleich zu seinem letzten, eher konventionell wirkenden Münchner Konzert 2011, war der Maestro diesen Sommer wie ausgewechselt, ein Mister 10.000 Volt: Er riss „sein“ Publikum, das alle Hits aus dem Stand mitsingen konnte, sofern der Maestro ihm den Einsatz dazu gab, völlig hin- und mit.
Jarreau redete viel, aber wie: Aus Ansagen wurden Wortgedichte, Scat-Gesang oder gar vokale Instrumentals. Jarreaus Dankesworte an die Veranstalterin Innegrit Volkhardt für die langjährige erprobte Zusammenarbeit, oder sentimentale Altersrückblicke wurden durch Jarreaus permanente Wortakrobatik zu einem einzigen, quasi durchkomponierten Stück, in dem Musik, Ansage, Gesang und zeitgemäße Arrangements seiner alten Hits nahtlos ineinander übergingen. Al Jarreau 2015 im Festsaal der Bayerischen Hofs, das war keine Nummernoper, sondern ein Gesamtkunstwerk. Eine sehr persönliche Hommage an den verstorbenen Keyboarder George Duke verband der Vokalartist ganz pietätlos mit Werbung in eigener Sache: „My Old Friend: Celebrating George Duke“ heißt sein aktuelles Album, das er mit Dr. John, Marcus Miller, Dianne Reeves u.a. eingespielt hat. Kunstvoll die Dave Brubeck/Paul Desmond–Live-Reminiszenzen mit „Take Five“ oder „Blue Rondo a la Tuerk“ im 9/8-Takt. Von „We’re in this love together” bis zu „So good” brachte Jarreau vor allem Eigenes auf die Bühne.
Doch der Jazz-Sommer 2015 setzte nicht nur auf das Bewährte, Schöne und Gute. Es gab auch Neues. Was der französische Klangmagier Guillaume Perret mit seinen Elektrischen Erzählungen in Flugzeugmotorenlautstärke bot, war neu, originell und überwältigend. Ebenso frisch der „New Soul-Funk“ der israelischen Sängerin Ester Rada mit einer perfekt agierenden sechsköpfigen Truppe aus exzellenten Solisten und Ensemblespielern. Andreas Kolb
Ausführliche Berichterstattung in der nmz 9/2015
Für unsere Jazzzeitungsfotogalerie zum Jazz Sommer 2015 fotografierten: Susanne van Loon, Ralf Dombrowski und Thomas Krebs