Dresdens Jazzclub macht dicht, weil er undicht ist und die Stadt ihn nicht dicht bekommt

Mit dem Klimawandel ist schlecht zu improvisieren: Wenn es regnet in Dresden, fällt der Jazz buchstäblich ins Wasser. Jazz und Bürokratie sprechen grundsätzlich verschiedene Sprachen. Wenn die freie Improvisation auf starre Strukturen trifft, ist Stillstand angesagt. Im Jazzclub Tonne, Dresdens wichtigstem Aushängeschild in Sachen Jazz, ist nun das Gegenteil eingetreten. Weil die Rathaus-Bürokratie der sächsischen Landeshauptstadt über Jahre hinweg nichts bewegt hat, mussten sich die Vereinsmitglieder des Tonne e.V. am vergangenen Wochenende mal wieder sputen, um Wasserschäden nach einem Gewitterguss auf ein Mindestmaß zu begrenzen.

Der Dresdner Jazzclub Tonne ist nicht dicht zu kriegen. Foto: Jazzclub Tonne
Der Dresdner Jazzclub Tonne ist nicht dicht zu kriegen. Foto: Jazzclub Tonne

Der für seine Arbeit bereits zum wiederholten Mal mit dem Spielstättenprogrammpreis der Bundesregierung ausgezeichnete Club residiert seit mehr als zehn Jahren im Keller des sogenannten Kulturrathauses von Dresden, einem historischen Sandsteingewölbe mit urigem Charme. Die Schattenseite dieses Gemäuers: Wenn es heftig regnet, drückt das Wasser durch die Substanz. Das ist seit langem bekannt und wurde vor gut drei Jahren mit einem Provisorium halbwegs abgedichtet.

Provisorien

Die damals verlegte Spezialfolie, so Tonne-Geschäftsführer Steffen Wilde, war von vornherein für etwa zwei Jahre ausgelegt. In der Zwischenzeit sollte nach einer dauerhaften Lösung gesucht werden, also entweder eine komplette Sanierung des über dem Veranstaltungsraum liegenden Innenhofs oder aber dessen Überdachung. Die erste Variante sei aber zu teuer, die zweite scheiterte bisher an Einwänden des Denkmalschutzes. Geschehen ist bis jetzt also nichts.

Nachdem die Tonne am 13. Juni einmal mehr zur Regentonne wurde – das für den Abend geplante Konzert des Jazz-Gitarristen Rüdiger Krause fiel buchstäblich ins Wasser –, blieb den Veranstaltern nichts anderes übrig, als den Club vorerst zu schließen. Dieser jüngste Wassereinbruch hat den alten Konzertflügel so stark durchnässt, dass er als irreparabel gilt. Auch die noch relativ neue Licht- und Beschallungstechnik wurde in Mitleidenschaft gezogen.

Das Liegenschaftsamt wäscht seine Hände in Haftungsausschluss

Eine gemeinsame Begehung mit Vertretern des Dresdner Liegenschaftsamtes hat den Tonne-Verein aber noch mehr entsetzt: Es habe sich nicht nur gezeigt, dass noch immer kein Plan für eine dauerhafte Lösung vorhanden sei, obendrein wurde als Konsequenz eine Änderung des Mietvertrags angekündigt. Dieser Vorschlag zielt nicht etwa auf eine Mietminderung, sondern auf einen Haftungsausschluss seitens der Stadt! Folglich wären für eventuelle Schäden in Zukunft die Jazzfreunde selbst haftbar – ein überaus freundlicher Dank für jahrelange Vereinsarbeit, die das kulturelle Leben Dresdens nachhaltig bereichert.

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Steffen Wilde kann nun zwar auf Unterstützung des Jazzclubs durch das ebenfalls im Haus ansässige Kulturamt verweisen und hofft auf dessen Fürsprache, um den international anerkannten Konzertbetrieb bald wieder aufnehmen zu können. Vor allem aber bräuchten er und sein Team rasche Hilfe durch den Vermieter. Das zuständige Liegenschaftsamt ließ auf Anfrage – nach drei Tagen Sonnenschein – immerhin mitteilen: „Zum heutigen Zeitpunkt ist die vollständige Nutzung der Räumlichkeiten wieder gegeben und deshalb können diese für Veranstaltungen wieder genutzt werden.“ Und fügte sarkastisch hinzu: „Ausschließen können wir natürlich nicht, dass es in den kommenden Tagen erneut zu Unwetterereignissen kommen kann.“

Will die Bürokratie das Problem also weiterhin aussitzen?

Fakt ist, der Jazzclub Tonne ist vorerst dicht, die Verwaltung nicht ganz dicht und das vor 190 Jahren errichtete Haus bis auf weiteres undicht.

www.jazzclubtonne.de

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