Nicht ohne Tanz und Essen – Jazz in Kapstadt

uploads_images_Media_gallery_CultureVon Antje Rößler – Das südafrikanische Kapstadt ist ein Eldorado für den Jazz. Nicht umsonst wurden der Stadt zu Füßen des Tafelbergs etliche Musikstücke und sogar ganze Alben gewidmet. Schon ein kurzes Name-dropping offenbart das hiesige Niveau des Musizierens: der Pianist Abdullah Ibrahim, der Saxophonist Winston Mankunku oder der Gitarrist Mac McKenzie – sie alle sind mit Kapstadt verbunden. Außerdem findet hier alljährlich das wohl größte Jazz-Event von ganz Afrika statt. Jeden März lockt das „Cape Town International Jazz Festival“ zehntausende Besucher an und bespielt fünf Bühnen im Kongresszentrum. Das Programm gestalten in- und ausländische Künstler zu gleichen Teilen.

Der Jazz gelangte bereits in den Vierziger Jahren nach Kapstadt. Dafür sorgten die Matrosen amerikanischer Frachtschiffe, die Schallplatten und Filme an Bord hatten. In den Hafenkneipen am Kap vermischten sich die amerikanischen Rhythmen dann mit afrikanischer Folklore, den Melodien der europäischen und asiatischen Einwanderer sowie der ortsansässigen Karnevalsmusik. Es entstand der so genannte Cape Jazz, der später auch Einflüsse aus Soul, Folk oder Reggae aufnehmen sollte. Ab den Sechzigern allerdings trieb die immer strengere Gesetzgebung der Apartheid zahlreiche dunkelhäutige Jazzer ins Ausland und ihre Musik in den Untergrund.

Photos courtesy Cape Town Tourism
Photos courtesy Cape Town Tourism

Inzwischen sind viele Exilanten zurückgekehrt, und der Jazz in all seiner Vielfalt erfährt öffentliche Anerkennung und Förderung. Doch da im südafrikanischen Alltag Schwarze und Weiße nach wie vor ihre eigenen Wege gehen, verwundert es nicht, dass Kapstadt über zwei parallele Jazzszenen verfügt. In der wohlhabenden, eher von Weißen bewohnten Innenstadt orientiert man sich am blank polierten amerikanischen Jazz der Fünfziger. Der struppige Cape Jazz hingegen, die energiegeladene und tanzbare Musik der farbigen Kapstädter, ist eher in den Townships, den Armenvierteln am Stadtrand, zuhause. Entsprechend groß ist die Bandbreite der Locations – vom schmuddligen Keller bis zur schicken Cocktail-Bar.

Wobei es eine Gemeinsamkeit gibt: Wenn sich der Südafrikaner – egal welcher Hautfarbe – dem Jazz widmet, dürfen zwei Dinge nicht fehlen: Er will gut essen und auch tanzen. Die meisten Jazzclubs bieten daher Speisen und eine anständige Weinkarte. Einheimische Spezialitäten, auch Steaks von Strauß und Antilope, serviert man zum Beispiel in Marco’s African Place. Das Lokal befindet sich in einem der knallbunt gestrichenen Häuschen des historischen Stadtviertels Boo Kap. Inhaber Marco Radebe war nach Apartheid-Ende der erste Schwarze, der in der Innenstadt ein Restaurant eröffnete. Heute spielen hier regelmäßig populäre Musiker wie Jimmy Dludlu oder Hugh Masekela, aber auch Bands aus den benachbarten Townships.

Ein Kontrastprogramm bietet der sonntägliche Jazz-Brunch im Winchester Mansions Hotel, gleich neben der palmengesäumten Seepromenade. Hier nippen Touristen am Cocktail und hören gepflegte Varianten des Great American Songbook. Ähnlich gediegen geht es in den schicken Bars der Shopping-Mall am Yachthafen zu. Wichtigste Jazz-Location ist hier das „Manenberg’s“, das vor zwanzig Jahren während der Wende-Unruhen entstand.

Der Name des Clubs ist eine doppelte Anspielung: Er erinnert erstens an die Zwangsumsiedlung von sechzigtausend Farbigen aus dem Zentrum Kapstadts in das Township Manenberg. Zweitens verarbeitete Abdullah Ibrahim diese Ereignisse in „Mannenberg“. Das 1974 eingespielte Stück wurde zur inoffiziellen Hymne der südafrikanischen Befreiungsbewegung.

Rustikaler als in den edlen Bars an der Wasserfront geht es auf der Long Street zu, der wichtigsten Ausgehmeile der Innenstadt. Hier schiebt sich am Wochenende die Menge von einem Lokal zum nächsten. Jazz spielt man zum Beispiel im retro-schicken „Kennedy´s“. An Wochentagen ist „The Crypt“ der beste Ort für Live-Jazz, ein düster eingerichteter Club im Kellergewölbe der St. George Kathedrale. Er wird von einer Handvoll Jazzmusikern geleitet. Hier bekommt auch der Nachwuchs eine Chance, gehört doch der Saxophonist Mike Rossi, der Präsident der Südafrikanischen Gesellschaft für Jazz-Education, zu den Betreibern.

Aber der Kapstadt-Besucher kann sich – mit ortskundiger Begleitung oder auf einer geführten Township-Tour – auch selbst in die Vororte begeben, wo der Cape Jazz zuhause ist. Im Township Gugulethu gibt es das gemütliche Thuthuka Jazz Café. Und in Lansdowne, einer weiteren einstigen Zwangsansiedlung für Schwarze, befindet sich das „Swingers in Wetton“. Dieses Lokal ist für seine montäglichen Jazz-Sessions stadtbekannt.

Immer wieder hörte man in den Townships Goema-Musik, eine besondere Spielart des Cape Jazz. Diese furiosen Klänge wurde einst von den Sklaven am Kap erfunden, die sich Trommeln bastelten, indem sie Weinfässer mit Tierhäuten überspannten; die rasanten Trommel-Pattern bilden das rhythmische Rückgrat von Goema. Als Goema-Star gilt Mac McKenzie, der eine eigenwillig schräge Gitarre spielt und das Cape Town Goema Orchestra leitet. Auch das Cape Town Jazz Orchestra hat die quirligen Goema-Rhythmen drauf.

Weit zurück in die Zeit der Sklaverei reicht auch die Tradition des Neujahrs-Karnevals – zum Jahreswechsel hatten die Sklaven einen ihrer wenigen freien Tage. Heute gibt es stets am 2. Januar eine Parade durch die Innenstadt; mit allerlei Musik- und Tanzgruppen, die sich lange auf diesen Tag vorbereiten. Die bemalten Gesichter und knallbunten Kostüme übernahm man von den Minstrel-Shows in New Orleans. Die Karnevalsmusik wiederum vermengt die afrikanische Folklore mit afroamerikanischen, englischen und holländischen Einflüssen. Gesungen wird in Afrikaans, dem holländischen Dialekt der einstigen Kolonialherren. Kapstadts Musikleben zeigt deutlich: Der Jazz lebt vom Austausch der Kulturen.

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Ein Kommentar

  1. Sehr verehrte Frau Rößler, schade, dass ich Ihren ausgezeichneten Überblick über die Jazzszene in Cape Town nicht vor vier Wochen lesen konnte, Dann hätte ich bei meinem erst kurz zurückliegenden Besuch gezielt wenigstens einige der von Ihnen empfohlenen Spots aufsuchen können. Ich werde Ihren Artikel für meinen nächsten Besuch in Südafrika gut aufbewahren.
    Mit kollegialen Grüßén
    Dietrich Schlegel

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